Verspannungen und Schmerzen im Rücken – das kennen wir alle. Permanente Fehlhaltung und einseitige Bewegungsmuster fördern solche Beschwerden. Yoga-Übungen können eine deutliche Linderung verschaffen
Rückenschmerzen ist das Volksleiden Nummer eins, jede fünfte Krankschreibung in Deutschland geht darauf zurück. Frauen sind häufiger davon betroffen als Männer. Man könnte das Leiden auch als gesamtgesellschaftliches Problem bezeichnen, denn wir alle haben im Laufe der letzten Jahrzehnte ein für unseren Körper widersprüchliches Bewegungsverhalten entwickelt. Während der Alltag früher mit körperlicher Arbeit, langen, zu Fuß zurückgelegten Distanzen und einem beständigen Wechsel der Anforderungen die Funktionalität des Körpers gefordert und unterstützt hat, wird unsere heutige körperliche Verfassung stark von der Digitalisierung der Gesellschaft beeinflusst: Wir sitzen zu viel, neigen durch die falsche Positionierung des Bildschirms den Kopf oft und vernachlässigen oder überlasten bestimmte Muskelgruppen. Durch mangelnde und einseitige Bewegung werden Haltemuskeln schwach und viele Strukturen, wie z. B. die Bandscheiben, partiell überlastet.
Warum schmerzt der Rücken?
In den seltensten Fällen ist dafür eine einzige Ursache – besonders für länger anhaltende Rückenschmerzen – verantwortlich. In über 85 Prozent der Fälle sind die Ursachen multifaktoriell und in unserer Lebensweise zu finden. Aber nicht nur Bewegungsmangel, einseitige Belastung oder Übergewicht begünstigen die Entstehung von „unspezifischen“ Schmerzen. Auch psychosoziale Faktoren wie Stress im Beruf oder im Familienleben wirken auf Geist und Körper. Dysfunktionale Bewältigungsstrategien wie das Motto „Durchhalten“ oder der sukzessive Rückzug aus sozialer Aktivität und Bewegung sowie der Mangel an bewussten Ressourcen begünstigen die Chronifizierung von Schmerzen. Der zeitweise vorhandene Schmerz wird zur dauerhaften Belastung.Durch mentalen Stress können sympathisch erregbare Fasern im Fasziengewebe, vor allem in der Thorakolumbal-Faszie (FTL – Fascia thoracolumbalis) angesiedelte Schmerzrezeptoren (40 Prozent sympathisch erregbar), aktiviert werden. Da kann sich schnell ein Kreislauf aus Schmerz und Stressempfinden entwickeln und sich gegenseitig befeuern. So führt die dauerhafte Schmerzwahrnehmung in einen Teufelskreis der Chronifizierung mit Vermeidungsverhalten, Abschwächung der Muskulatur, sozialem Rückzug, Angst vor weiteren Schmerzen, Funktionsverlust. Bei akuten Rückenschmerzen sollte man am besten erstmal ärztlichen Rat einholen. Denn hinter Rückenschmerzen können sich auch schwerwiegende Erkrankungen verbergen. In ca. 15 Prozent der Fälle sind die Rückenschmerzen überwiegend strukturellen Veränderungen zuzuordnen, unter anderem etwa:
- einem Bandscheibenvorfall
- der Überlastung der kleinen Wirbelgelenke, z. B. Facettensyndrom
- dem „Hexenschuss“ (Lumbalgie, Facettengelenkblockade
mit muskulärer Verspannung) - einer ISG-Blockierung
- einer Überlastung der Myofaszie
Chronischer Schmerz
Dauert ein Schmerzgeschehen länger als drei Monate an, spricht man von chronischem Schmerz. Etwa jeder fünfte Patient, der bzw. die den Hausarzt aufsucht, leidet unter chronischen Schmerzen, die vor allem die Gelenke und den Rücken betreffen. Wirkt ein Schmerzreiz über längere Zeit auf Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) ein, kommt es zu einem Absinken der Schmerzschwelle. Dies hat zur Folge, dass der Schmerz intensiver wahrgenommen wird und die Zahl der – am Schmerzgeschehen beteiligten – Interneuronen zunehmen. Auch in den Schaltzentren der Schmerzwahrnehmung im Gehirn entsteht eine Anpassung auf die vermehrten Schmerzreize: Hirnregionen, die für das emotionale Gleichgewicht zuständig sind, und ihre hemmenden Systeme funktionieren nicht mehr ausreichend, wodurch eine überhöhte Schmerzintensität entstehen kann.
Durch die Dauerbelastung infolge des Schmerzes werden vermehrt Stresshormone wie z. B. Cortisol ausgeschüttet. Dies wiederum führt zu einer körperlichen und emotionalen Alarmbereitschaft. Die Folge sind Tonuserhöhung der Muskulatur, Verspannungen (typischerweise im Kiefer, Nacken und Rücken). Außerdem wird die Atmung flach und findet fast nur noch im Brustraum statt. Darauf folgt häufig Erschöpfung.
Karina Pieper
Buchtipp: Bitta Boerger/Judith Schäfer/Daniel Helbig, Yoga-Therapie in der Praxis, O. W. Barth Verlag, 42 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 1/2024
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