Wie können wir im Alltag zu mehr Gelassenheit, Lebensfreude und innerer Stärke finden? Wie die Fülle des Augenblicks mit allen Sinnen auskosten? Christa Spannbauer gibt Ihnen für jeden Wochentag einen Impuls der Achtsamkeit, der Sie darin unterstützen soll, sich auf das Positive auszurichten und die eigenen Ressourcen zu stärken.
Sonntag:
Ich öffne der Freude Tür und Tor
„Warum verschiebt ihr die Freude auf morgen?“ (Epikur)
Weshalb fällt es uns oft so schwer, uns am heutigen Tag zu erfreuen und das Hier und Jetzt mit Achtsamkeit zu genießen? Wieso glauben wir, erst wenn wir noch dieses oder jenes hätten, wenn endlich Urlaub oder Wochenende wäre, könnten wir glücklich sein? Dabei bietet uns doch jeder Tag so viele Möglichkeiten zur Freude. Wir müssen sie nur aufspüren, wahrnehmen und auskosten lernen. Oftmals sind es die einfachen Dinge des Lebens, die kleinen Freuden des Alltags, die unseren Tag verschönern.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Laden Sie heute die Freude in Ihr Leben ein. Nehmen Sie einmal nichts für gegeben hin und erachten Sie nichts als selbstverständlich. Verpassen Sie keinen der wunderbaren Augenblicke, die Ihnen der heutige Tag bietet. Spüren Sie die Freudenquellen Ihres Lebens auf! Zaubern Sie sich und anderen ein Lächeln ins Gesicht. Sammeln Sie Freudenmomente. Vielleicht verspüren Sie den Wunsch, diese Momente am Ende des Tages aufzuschreiben, um sich ihrer auch später noch zu erinnern: all die großen und kleinen Dinge, die das Leben schöner und bunter machen, all die Menschen, die das Leben liebens- und lebenswerter machen.
Montag:
Ich bin gut zu mir selbst
„Alle Liebe der Welt ist auf Eigenliebe gebaut.“ (Meister Eckhart)
Wir sind oft sehr hart und streng mit uns selbst. Wir nehmen Anteil am Leid unserer Mitmenschen und bringen für uns selbst kaum Mitgefühl auf. Dabei wäre unser Leben so viel einfacher, wenn wir uns in schwierigen Situationen mit Selbstliebe begegnen könnten. Wenn wir uns so fürsorglich behandeln würden, wie wir es mit geliebten Menschen tun. Da wir Selbstliebe häufig mit Egoismus verwechseln, glauben wir, dass Selbstmitgefühl uns selbstbezogen machen würde. Forschungen belegen jedoch genau das Gegenteil: Je warmherziger wir mit uns selbst umgehen, desto verbundener fühlen wir uns mit unseren Mitmenschen.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Seien Sie heute sanft zu sich selbst. Legen Sie sich, wann immer Sie das Gefühl haben, etwas Selbstliebe täte Ihnen gut, beide Hände mit bewusster Achtsamkeit auf das Herz. Dadurch aktivieren Sie das Zuneigungssystem sich selbst gegenüber. Spüren Sie die Wärme, die sich unter Ihren Händen ausbreitet. Sagen Sie sich innerlich etwas Freundliches. Sprechen Sie sich Mut und Trost zu: „Alles wird gut. Ich glaube an mich. Ich bin geliebt.“ Behandeln Sie sich heute mit der gleichen Fürsorge, wie Sie eine gute Freundin behandeln würden. Kultivieren Sie Mitgefühl mit sich selbst.
Dienstag:
Ich begegne anderen Menschen mit Aufmerksamkeit
„Immer ist der wichtigste Mensch der der dir gerade gegenübersteht.“
(Meister Eckhart)
Jede gute Tat, sei sie auch noch so bescheiden, macht die Welt zu einem besseren Ort. Ein Lächeln, eine Geste, eine Rücksichtnahme, ein freundliches Wort setzen Zeichen der Mitmenschlichkeit im Alltag und können wahre Wunder bewirken. Jeder Tag eröffnet uns zahllose Möglichkeiten, unseren Mitmenschen die Hand zu reichen und ihnen mit noch größerer Aufmerksamkeit und mehr Wohlwollen zu begegnen. Dadurch ebnen wir Herzenspfade in den Alltag und bereiten der Menschlichkeit ein Zuhause.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Halten Sie heute die Augen und das Herz offen für Ihre Mitmenschen. Gehen Sie auf Menschen zu, die Ihre Unterstützung brauchen, sei es auf den Straßen, im Supermarkt, in der U-Bahn oder auf Ihrer Arbeitsstelle. Gehen Sie in diese Begegnungen mit viel Achtsamkeit. Es sind die kleinen Gesten der Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Fürsorge für andere, die den Alltag verschönern. Wenden Sie sich Menschen zu, die offensichtlich einsam sind. Senden Sie ein Lächeln und freundliche Worte in die Welt.
Mittwoch:
Ich lebe ganz im Augenblick
„Bedenkt, dass dieser Tag niemals wieder heraufdämmern wird.“ (Alighieri)
Die Welt scheint sich immer schneller zu drehen und wir versuchen, Schritt zu halten. Kein Wunder, dass wir uns manchmal wie gejagt fühlen. Doch seien wir ehrlich: Meist sind es doch wir selbst, die uns durchs Leben treiben. Wer sagt denn, dass wir alles immer sofort erledigen müssten? Dass wir heute schon die Pläne für das kommende Jahr machen müssten? Entschleunigen heißt nichts anderes als im gegenwärtigen Augenblick anzukommen und sich im Hier und Jetzt mit Achtsamkeit zu verankern.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Machen Sie sich heute ein großes Geschenk: Schenken Sie sich Zeit. Schaffen Sie sich kleine Inseln der Ruhe. Hierfür bieten sich gerade die Stoppstellen des Alltags an, die uns in der Regel mit Ungeduld erfüllen. Nutzen Sie die rote Ampel oder die Warteschlange im Supermarkt als willkommene Gelegenheiten, um bewusst nach innen zu spüren und achtsamen Kontakt mit dem Körper aufzunehmen. Bauen Sie sich Glocken der Achtsamkeit in Ihren Alltag ein. Das Telefon eignet sich hierfür bestens. Schließen Sie kurz die Augen und atmen Sie zwei Mal bewusst ein und aus, bevor Sie zum Telefonhörer greifen. Nutzen Sie Ihren Atem, um sich zur Ruhe zu bringen.
Donnerstag:
Ich genieße die Natur mit allen Sinnen
„Liebt die ganze Schöpfung – jedes Blatt und jeden Sonnenstrahl“ (Dostojewskij)
Jetzt ist es soweit – die Natur erwacht und stimmt den großen Frühlingsgesang an. Alles um uns herum keimt, knospt, grünt und blüht. Der Frühling lässt sein „blaues Band“ durch die Lüfte flattern, Blumen sprießen aus der frischen Erde und öffnen ihre Blütenkelche in fast vergessener Farbenpracht. Die Kraft der Bäume kehrt zurück und verströmt sich in frischem Grün.
Jetzt ist die Zeit, sich von den ersten warmen Sonnenstrahlen locken, sich von der aufsteigenden Energie dieser Jahreszeit inspirieren zu lassen. Nutzen Sie die Kraft dieses Aufbruchs. Machen Sie sich bereit für das große Frühlingserwachen.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Nehmen Sie sich heute die Zeit, in achtsamen Kontakt mit der Natur zu kommen. Machen Sie einen Spaziergang durch Wald und Wiesen oder durch den nahegelegenen Park. Lehnen Sie sich an einen der mächtigen alten Bäume und spüren Sie seine Kraft im Rücken. Blicken Sie aufmerksam um sich und nehmen Sie die Buntheit der Welt in sich auf. Lauschen Sie auf die Geräusche des Frühlings, das Zwitschern der Vögel, das Summen der Bienen. Halten Sie Ihre Nase in die sanfte Frühlingsbrise und atmen Sie alles, was Sie sehen, hören und riechen, tief in Ihr Herz hinein.
Freitag:
Ich heiße alle Emotionen willkommen
„Jeder Tag ist ein guter Tag!“ (Zen-Meister Ummon)
Wir definieren Glück als das Fehlen von Leid und versuchen, negative Gefühle zu vermeiden und unter Kontrolle zu halten. Mit unserer Jagd nach Glück setzen wir uns gehörig unter Druck und übersehen dabei, dass auch das Leiden und die damit verbundenen Emotionen feste Bestandteile des Lebens sind. Indem wir negative Emotionen vermeiden wollen, beschneiden wir die Fülle unseres Lebens. Die Kunst des Lebens und der Achtsamkeit, so die Autoren des Buches „Im Augenblick leben“, besteht darin, für positive und negative Emotionen gleichermaßen offen zu sein.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Üben Sie heute im Umgang mit unangenehmen Gefühlen den wirksamen Viererschritt der Achtsamkeit ein:
1. Erkennen. 2. Benennen. 3. Zulassen. 4. Loslassen. Fragen Sie sich: Was fühle ich gerade? Benennen Sie das Gefühl und begrüßen Sie es mit Wertschätzung bei seinem Namen. Bieten Sie ihm wie ein guter Gastgeber einen Platz in Ihrem Leben an. Hören Sie ihm aufmerksam zu, was es Ihnen zu sagen hat. Vielleicht möchten Sie alles aufschreiben, was Sie fühlen. Das ist sehr entlastend und hilft Ihnen dabei, das Gefühl freundlich zu verabschieden, wenn es genügend Zeit hatte, sich zu zeigen.
Samstag:
Ich suche die Stille
„Wer aus der Stille lebt, den verwandelt die Stille.“ (Anselm Grün)
Wir alle sehnen uns nach Zeiten der Ruhe und Orten der inneren Einkehr. Denn erst in der Stille kommen wir in Berührung mit dem Wesentlichen. Hier erschließen sich uns neue Erfahrungsräume, in denen wir unserem wahren Wesen begegnen. Deshalb ist es wichtig, Orte der Stille im täglichen Leben zu haben. Und zu wissen, dass es, unabhängig vom Lärm und Trubel der Welt, einen Raum der Stille in unserem Herzen gibt, den wir jederzeit betreten können. Wege dorthin bieten Momente der Achtsamkeit und die Versenkung ins stille Gebet oder in die Meditation.
Achtsamkeit-Tipp für den Tag:
Suchen Sie die Stille. Nehmen Sie sich heute Zeiten, in denen Sie bewusst schweigen. Meiden Sie soweit als möglich jede Form der Beschallung. Schalten Sie Radio und Fernseher gar nicht erst ein und Ihr Handy nur dann, wenn unbedingt vonnöten. Suchen Sie einen Ort der Stille auf, sei es eine Kirche, ein nahe gelegenes Meditationszentrum, ein Rückzugsort in der Natur oder ein stiller Raum in Ihrer Wohnung. Setzen Sie sich. Werden Sie ruhig. Nehmen Sie die Stille um sich herum wahr. Horchen Sie tief in sich hinein. Kehren Sie ein in die Stille des eigenen Herzens.
Christa Spannbauer
Ruhe finden in der Hektik des Alltags
Sie meinen, Sie haben keine Zeit dazu, um runterzukommen und den Moment zu genießen? Der Autor und Meditationslehrer Martin Boroson hat da einen besonderen Tipp der Achtsamkeit für Sie:
In unserer Informationsgesellschaft, in der Stress- und Zeitmanagement sich teilweise nur schwer bewältigen lassen, sind Unaufmerksamkeit, Müdigkeit, Gereiztheit sowie körperliche Stresssymptome keine Seltenheit. Um Stärke und Balance zu finden, bietet Meditation einen idealen Ansatzpunkt, Ruhe und Gelassenheit in unseren Alltag zu bringen. „Du wirst ein völlig neues Zeitverständnis entwickeln und Techniken erlernen, mit deren Hilfe du einen Tag, der sich gedrängt und hektisch anfühlt, zu einem Tag machen kannst, der dir Weite und unzählige Möglichkeiten schenkt“, so beschreibt Martin Boroson die One Moment Meditation. In seinem Buch „Ein Moment reicht“ erklärt er, wie man mit einer sogenannten Basisminute sein Stresslevel reduzieren kann:
„Kern der One Moment Meditation ist der radikale Gedanke, dass ein einziger Moment zum Meditieren genügt, aber so ein Moment ist sehr flüchtig und möglicherweise fällt es dir sogar schwer, einen zu finden. Die Basisminute dauert, wie der Name schon verrät, eine ganze Minute. Stelle dir die Minute als einen Moment mit Griffen vor. Du weißt, wo sie anfängt und wo sie aufhört, und damit ist sie leichter zu fassen … Irgendwo innerhalb dieser Minute wirst du ganz sicher einen Augenblick tiefen Friedens entdecken. Und danach, wenn die Minute vorbei ist, wirst du dich frischer und erholter fühlen, du wirst präsenter und viel besser in der Lage sein, dich dem gegenwärtigen Augenblick zu widmen … Die Basisminute bietet dir die Möglichkeit eines tiefgreifenden Erlebnisses puren Seins. Für nichts anderes ist sie da. Sie ist nicht dazu da, Entscheidungen zu treffen oder sich Sorgen zu machen. Sie ist nicht dazu da, kompliziert zu sein. Eine begrenzte Minute lang darfst du ganz einfach nur sein, anstatt andauernd nur zu tun “.
Christa Spannbauer
aus Ausgabe bewusster leben 2/2015