Liebe wird aus Mut gemacht

Langjährige Beziehungen sind nichts für Feiglinge. Gerade wenn die Partnerschaft kriselt, braucht es viel Mut, nicht alles hinzuschmeißen, die eigenen Schattenseiten anzuerkennen und immer wieder sich selbst und dem anderen zu verzeihen. Gar nicht so leicht, lohnt sich aber.

Alles was glücklich macht im Leben, verspricht die Werbung, ist maximal einen Daumenwisch entfernt: das neue Kleid, ein individuell gemischtes Müsli, der nächste Städte-Trip. Ausrangiertes landet auf dem Müll. Stopfen, Flicken, Reparieren: alles nicht mehr gefragt. Auch die Partnerwahl unterliegt inzwischen den Regularien der schönen neuen Warenwelt. Nur ein paar Klicks, schon haben unfehlbare Algorithmen den passenden Lebensgefährten für uns ermittelt: schnell, effizient und natürlich mit Rückgabegarantie bei Nichtgefallen.

Mut, gegen den Strom zu schwimmen

Dann „gleicht die Liebe einem betrieblichen Unternehmen, das den Vorstellungen von Effizienz und Wachstum zu gehorchen hat“, wie die Paartherapeuten Barbara und Udo Röser schreiben. Erfolg, Leistungsfähigkeit, Gewinnmaximierung und Selbstoptimierung, die klassischen Werte unserer Leistungsgesellschaft, haben sich inzwischen auch in Beziehungsangelegenheiten als maßgebende Kriterien etabliert. Macht uns der Partner nicht rund um die Uhr glücklich, mustern wir ihn aus wie einen peinlichen Fehlkauf. Da braucht es Mut, gegen den Strom zu schwimmen, und die Partnerin nicht beim ersten Stottern des Liebesmotors auf dem Schrottplatz der enttäuschten Hoffnungen zu entsorgen. Es braucht Mut, sich Konflikten und Problemen zu stellen und die Idee ewiger Flitterwochen ins Reich der Illusion zu verbannen. Bindung eingehen bedeutet, gemeinsam durch Krisen zu stolpern, Zweifel und Unsicherheit auszuhalten.

Mut, sich der Vergangenheit zu stellen

Doch dies ist nur ein erster Schritt. Passiv in einer kriselnden Partnerschaft zu verharren, erweist sich als genauso wenig heldenhaft, wie sie vorschnell zu beenden. Diese Paare leben dann nebeneinander her, geben offen oder insgeheim dem anderen die Schuld an der eigenen misslichen Lage, und glauben felsenfest, dass sie glücklich wären, sobald die Partnerin endlich aufhört zu nörgeln oder der Partner mehr im Haushalt erledigt. So wie sie im ersten Verliebtsein überzeugt waren, der andere sei die Ursache für ihr Wohlbefinden, verlagern sie nach der Entzauberung die Verantwortung fürs eigene Unbehagen auf die Schultern des Menschen an ihrer Seite. Dagegen hilft laut Barbara und Udo Röser nur ein neuer mutiger Schritt ins Leben,
der darin besteht, dass wir uns der eigenen Vergangenheit und dem verletzten Kind in uns zuwenden. Doch was bitte hat die Kindheit damit zu tun, dass wir uns vom Partner nicht ausreichend geschätzt fühlen oder der Partnerin nicht wirklich trauen? „Die Spuren seelischer Verletzungen tragen wir in uns und sie wirken fort, insbesondere auf die Paarbeziehung. Als Erwachsene reagieren wir, vor allem in der Intimität unserer Partnerschaft, häufig so, dass wir für die partnerschaftlichen Störungen jeweils den anderen verantwortlich machen“, stellt das Ehepaar Röser fest. „Der Splitter im Auge des Partners wird deutlicher gesehen als der Balken im eigenen Auge.“

Veronika Schantz

Zum Weiterlesen:
Udo und Barbara Röser, “Das verletzte innere Kind und die Liebe”, Patmos Verlag, 18 Euro

Den ganzen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 6/2020

Diesen Artikel teilen

Weitere Beiträge

Räuchern für die Seele

Wer das Ritual des Räucherns genießt, tut sich selbst etwas Gutes und kann eine Auszeit vom Alltag nehmen. Sich einfach mal fallen lassen.

Diesen Artikel teilen
Warum können Lebenskrisen auch stärken und wie kann man schwere Zeiten durchstehen?

Aus der Dunkelheit ins Licht

Jede Lebenskrise trägt ein Potenzial für unsere Weiterentwicklung in sich. Leoni Nägele zeigt, wie wir am besten durch schwere Zeiten kommen und warum sie uns sogar stärken.

Diesen Artikel teilen

Eine wahre Freundin ist wie ein BH

Sie unterstützt dich, lässt dich nie hängen und ist ganz nah an deinem Herzen. Ursi Breidenbach und Heike Abidi haben ein Buch über Frauenfreundschaften und für uns einen Artikel dazu geschrieben – natürlich gemeinsam! Ohne sie wären wir verloren! Eine Freundin ist Ratgeberin, Vertraute, Lieblingsmensch. Ehrlichste Kritikerin und beste Gesprächspartnerin. Mit ihr können wir lachen und weinen, nächtelang quasseln oder gemeinsam schweigen. Egal, wie sich die Lebensumstände ändern mögen, Freundinnen sind einfach unverzichtbar, und zwar vom Kindergarten bis zum Seniorenstammtisch. Sie machen unser Leben schöner, bunter und aufregender. Okay, manchmal auch verrückter, turbulenter und nervenzehrender, aber nie langweiliger. Wie schön, dass es sie gibt! Ja, Freundinnen sind einfach wunderbar! Ohne die fantastischen Frauen, die uns beruflich und privat nahestehen, wäre das Leben definitiv um einiges ärmer. Finden Sie nicht auch?Solche Herzensmenschen sind sehr wichtig für unsere emotionale Ausgeglichenheit – und das in jedem Lebensalter. Selbst die Allerkleinsten entwickeln sich zu glücklicheren, sozialeren Wesen, wenn sie Kontakt mit Gleichaltrigen haben. Etwas später sorgt die Banknachbarin in der Schule für ein Sicherheitsgefühl bei den ersten Schritten hinaus in eine Welt ohne Eltern. In der Pubertät wird zusammen rebelliert und Liebeskummer getröstet. Einmal erwachsen, bleiben Freundinnen natürlich fixer Bestandteil unseres Lebens und unterstützen

Diesen Artikel teilen

Schreiben Sie einen Kommentar