„Hast du ein Gärtchen und eine Bibliothek, so wird dir an nichts fehlen“, soll Cicero gesagt haben. Hat er Recht? Ich finde, ja. Warum mich Bücher glücklich machen.
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Ein wunderschöner Raum, hoch und weit, lichtdurchflutet durch eine lange Fensterfront, und an den anderen Seiten helle, deckenhohe Regale, angefüllt mit einer unerschöpflichen Vielfalt an Büchern – so sieht mein Traum vom Paradies aus (und die Fenster und Glastüren führen in meiner Vorstellung tatsächlich in einen Garten). Doch was macht das Lesen eigentlich so paradiesisch?
Glaubt man einer Studie der britischen University of Sussex kann das Lesen von Büchern unseren Stresspegel um bis zu 68 Prozent senken – und das schon nach sechs Minuten. Und Lesen ist leise – allein das macht es in unserer immer lauter und greller werdenden Welt zu etwas Besonderem. Das gilt sogar für Hörbücher, finde ich, denn zum Zuhören schalte ich störende Nebengeräusche möglichst aus, sei es durch Kopfhörer oder die einfache Methode „Tür zu“.
Nicht von dieser Welt
Wenn ich ein gutes Buch lese, beginnt es schon mit dem ersten Satz: Ich komme zur Ruhe. Wenn ich mich zum Lesen hinsetze, wird die Alltagshektik ausgeloggt. Und dann beginnt das Abenteuer: Die Autorin oder der Autor nimmt mich mit auf eine Reise, mein Geist breitet seine Flügel aus, mein Denken wird weit, und meine Vorstellungskraft trägt mich in andere Welten. Das kann durch die Geschichte selbst geschehen, zum Beispiel bei einem historischen Roman, bei Fantasy oder Science-Fiction oder bei einem Krimi oder Thriller, wenn ich gebannt Seite um Seite „verschlinge“, bis sich am Ende die Spannung löst. Es kann aber auch durch Sprache geschehen, wenn die Worte in mir etwas zum Klingen bringen, wenn sie schon mit ihrem Titel Bilder in mir erzeugen – wie bei „Bis wir Wald werden“ von Birgit Mattausch oder bei „Nicht von dieser Welt“, einer Coming-of-Age-Geschichte von Michael Ebert. Dann tauche ich ab in andere Welten und fühle mich „Dem Himmel so nah“ (auch der Titel eines Romans).
Das pure Leseglück
Manchmal frage ich mich, woher diese Glücksgefühle beim Lesen eigentlich kommen. Ist es bloß eine subjektive Empfindung, eine flüchtige Laune? Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Leseglück ist tatsächlich begründbar. Zunächst verlangt es uns eine gewisse Anstrengung ab: Wir müssen uns konzentrieren, am Text dranbleiben und den Sinnzusammenhang im Hinterkopf behalten. Zugleich erleben wir, dass wir Fortschritte machen. Mit jedem Umblättern kommen wir weiter, und besonders bei einem gedruckten Buch können wir das unmittelbar fühlen und sehen. Die Kombination aus Anstrengung und Erfolgserlebnis führt im Gehirn dazu, dass Botenstoffe ausgeschüttet werden, allen voran das „Glückshormon“ Dopamin. Das erhöht wiederum unsere Motivation, weiterzumachen. So kommst du vielleicht sogar in den „Flow“. Dieser Begriff aus der positiven Psychologie beschreibt einen Moment völliger Vertiefung, in dem Zeit und Umgebung in den Hintergrund treten. Du vergisst dich selbst, bist vollkommen präsent in der Handlung, in der Sprache, in der Welt der Geschichte. Dieser Zustand ist mit einem intensiven Glücksempfinden verbunden.
Lesen trainiert das Gedächtnis
Lesen kann aber noch mehr: Ganz nebenbei trainiert es das Gedächtnis und verbessert die Konzentrationsfähigkeit. Weil beim Lesen im Gehirn Areale aktiviert werden, die für Sprache, Emotionen, Empathie und Vorstellungsvermögen zuständig sind, beeinflusst es unsere Stimmung und unser emotionales Empfinden positiv. Wenn wir mit literarischen Figuren mitfühlen, erleben wir ihre Perspektiven und lernen, auch ganz allgemein die Gedanken und Gefühle anderer besser zu verstehen, meint der Psychologe Rolf Schmiel. Das stärkt unsere sozialen Kompetenzen und macht uns zufriedener in zwischenmenschlichen Beziehungen – ein wesentlicher Bestandteil des Glücksempfindens, weit über die unmittelbare Zeit des Lesens hinaus. Außerdem erweitert Lesen unseren Wortschatz und erhöht nachweislich die verbale Intelligenz. Für all das ist es übrigens egal, ob du anspruchsvolle Klassiker, moderne Lyrik oder Unterhaltungsliteratur liest. Die etwas hochnäsige und wertende Unterscheidung zwischen E und U ist eine Eigenheit des deutschen Sprachraums und im Englischen zum Beispiel viel weniger ausgeprägt. Doch zum Glück sind Bücher keine Snobs. Sie verteilen ihre guten Gaben großzügig, egal, in welche Schublade manche von uns sie stecken wollen.
Astrid Ogbeiwi
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