Verborgene Wege, handwerkliche Meisterwerke und Essen, das nach Almen schmeckt – fünf Tage im Bregenzerwald bieten mehr als Postkartenmotive.
Eine Region, die oft unterschätzt wird. Nicht so bekannt wie Tirol oder Salzburg, aber gerade das macht den Reiz aus. Keine Massen, kein überlaufener Touristen-Hotspot, sondern ein Ort, an dem alles ein wenig ursprünglicher bleibt.
Wer hierherkommt, will nicht nur kurz ein Foto machen und weiterziehen. Hier geht es um Erlebnisse, die in Erinnerung bleiben – sei es eine einsame Schneeschuhwanderung, ein Sonnenaufgang auf der Kanisfluh oder das erste Stück Bergkäse direkt von der Sennerei.
Erstmal Ankommen – Was vor der Reise wichtig ist
Bregenzerwald ist kein Ort für spontane Last-Minute-Trips, zumindest nicht im klassischen Sinn. Wer im Winter kommt, sollte früh buchen – nicht wegen überfüllter Hotels, sondern weil viele familiengeführte Unterkünfte schnell ausgebucht sind. Große Hotelketten fehlen, stattdessen gibt es kleinere Gasthäuser und Almhütten, die oft Monate im Voraus belegt sind. Besonders in der Skisaison oder während des Alpabtriebs im Herbst wird es eng. Ein Wellnesshotel im Bregenzerwald kann eine gute Wahl sein, wenn Entspannung nach langen Tagen in den Bergen auf dem Plan steht.
Im Sommer sieht die Lage anders aus. Die Region ist weniger überlaufen als andere Alpenziele, aber auch hier gilt: Flexibilität hilft. Wer öffentliche Verkehrsmittel nutzen möchte, sollte den Fahrplan vorher prüfen. Busse verbinden viele Orte, fahren aber nicht überall regelmäßig. Ein Auto erleichtert vieles – besonders, wenn abgelegene Vorsäße oder Bergseen besucht werden sollen.
Die Ausrüstung hängt stark von der Jahreszeit ab. Winter bedeutet nicht nur Skifahren – Schneeschuhe sind oft die bessere Wahl für unberührte Routen, Spikes helfen auf vereisten Wegen. Im Sommer können die Temperaturen in den Tälern angenehm sein, auf den Gipfeln aber deutlich kühler. Wetterumschwünge sind häufig, eine gute Regenjacke gehört immer ins Gepäck.
Bewegung mit Aussicht – Was sich wirklich lohnt
Wintersport bedeutet hier nicht nur Skifahren. Damüls-Mellau ist das größte Skigebiet, doch wer nicht auf volle Pisten steht, findet bessere Alternativen. Diedamskopf früh am Morgen, bevor die ersten Lifte starten, bietet unvergessliche Skitouren. Schönenbach, eine Vorsäßsiedlung, eignet sich perfekt für Schneeschuhwanderungen – kaum Menschen, nur Stille und weite weiße Flächen. Bei Neuschnee sind viele Routen ohne Spuren, Orientierung ist also wichtig.
Im Sommer dann ein völlig anderes Bild. Kanisfluh steht auf jeder Liste, die Aussicht ist großartig – aber Alternativen lohnen sich. Hochhäderich, weniger überlaufen, bietet Gipfelblicke bis ins Allgäu und eine spannende Gratwanderung. Gschwendtobel, versteckt zwischen Hittisau und Lingenau, überrascht mit schattigen Waldwegen und kleinen Wasserfällen. Wer alpine Kulisse ohne lange Märsche sucht, nimmt die Seilbahn auf den Diedamskopf und geht die letzten Höhenmeter zu Fuß – einfacher Weg, grandioses Panorama.
Essen, das nach Almen und Handwerk schmeckt
Bregenzerwald ohne Käse? Unmöglich. Doch statt der üblichen Käsknöpfle lohnt sich der Blick auf die einfachen, oft übersehenen Gerichte. Eine Sennerei von innen zu sehen, bedeutet mehr als nur Käse kaufen – hier entstehen Laibe, die monatelang reifen, direkt vor den Augen. Wer früh da ist, kann zuschauen, wie die frische Milch verarbeitet wird. Manche Betriebe bieten Käseverkostungen an, oft in kleinen, rustikalen Räumen mit direktem Blick auf die Alm.
Deftiger wird es mit Riebel – Maisgrieß, in der Pfanne geröstet, oft mit Apfelmus serviert. Ein Gericht, das in vielen Haushalten früher täglich auf den Tisch kam. Heute noch auf Speisekarten zu finden, besonders in traditionellen Wirtshäusern.
Die beste Brotzeit gibt es nicht im Restaurant, sondern auf einer Alm. Kein Menü, keine Speisekarte – einfach ein Brett mit frischem Brot, Butter, Käse und manchmal Speck. Alles hausgemacht, oft von Hand aufgetragen, serviert mit einem Glas frischer Milch oder einem Schnaps.
Architektur und Handwerk – Warum Holz hier anders aussieht
Hier wird Holz nicht nur verwendet – es wird verstanden. Kein rustikaler Alpenkitsch, keine verschnörkelten Balkone mit Blumenkästen, sondern klare Linien, reduzierte Formen und ein Stil, der sich trotz aller Modernität nahtlos in die Landschaft einfügt. Jedes Dorf hat Neubauten, die überraschen: große Glasflächen kombiniert mit dunklem Holz, Fassaden, die auf den ersten Blick schlicht wirken, aber in jedem Detail durchdacht sind.
Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch zeigt, was Handwerker in der Region können. Hier entstehen Möbel, Fenster, Türen und ganze Häuser, die Handwerkskunst mit zeitgemäßem Design verbinden. Keine Massenware, sondern Stücke, die Generationen überdauern. Ein Besuch lohnt sich nicht nur für Architekturliebhaber – auch wer einfach gutes Handwerk sehen will, wird hier fündig.
Besondere Orte gibt es viele. Ein Beispiel: die Krumbacher Bushaltestellen. Entworfen von Architekten aus verschiedenen Ländern, umgesetzt von lokalen Betrieben. Keine Haltestelle gleicht der anderen, jedes kleine Bauwerk erzählt eine eigene Geschichte. Ein Spaziergang durch Krumbach ist wie ein Freilichtmuseum für moderne Holzarchitektur.
Orte abseits der Postkartenmotive
Schwarzenberg mit seinen historischen Holzhäusern? Sehenswert, aber kein Geheimtipp. Spannender sind die Orte, die nicht auf jeder Liste stehen. Schönenbach zum Beispiel – eine Vorsäßsiedlung, die im Sommer bewohnt ist und im Winter fast vergessen scheint. Keine Straßenlaternen, kaum Verkehr, nur alte Holzhütten und eine Landschaft, die mit jeder Jahreszeit ihr Gesicht verändert. Im Winter ideal für Schneeschuhtouren, im Sommer Ausgangspunkt für ruhige Wanderungen mit überraschenden Ausblicken.
Abkühlung gesucht? Statt überfüllter Freibäder lohnt sich ein Naturbadesee. Der Badesee in Egg ist einer der schönsten – grün umrahmt, oft fast leer, mit klarem Wasser, das von den Bergen gespeist wird. Auch der kleine See in Schoppernau bietet ruhige Plätze ohne Lärm. Keine Liegestuhlreihen, keine laute Musik – einfach Natur, Stille und Wasser, das selbst an heißen Tagen erfrischend bleibt.
Abschied und was bleibt
Bregenzerwald ist kein Ort, der sich in ein paar Tagen komplett erfassen lässt. Vieles passiert nebenbei, oft dann, wenn gerade keine Pläne existieren. Ein Senner, der am frühen Morgen Geschichten über seine Tiere erzählt. Ein schmaler Pfad abseits der Hauptwege, der plötzlich zu einem Aussichtspunkt führt, den kaum jemand kennt. Eine Hütte, die auf keiner Karte eingezeichnet ist, aber genau im richtigen Moment Schutz vor einem plötzlichen Regenschauer bietet.
Hier funktioniert Zeit anders. Nicht alles folgt einem festen Plan, vieles ergibt sich spontan. Wer sich darauf einlässt, erlebt Momente, die lange hängen bleiben – nicht, weil sie spektakulär sind, sondern weil sie echt sind. Bregenzerwald lebt nicht von Sehenswürdigkeiten, sondern von Begegnungen, Landschaften und kleinen Entdeckungen am Wegesrand. Nach der Abreise bleibt oft das Gefühl, längst nicht alles gesehen zu haben. Und genau das ist der beste Grund, wiederzukommen.