Wenn die Liebe spricht

Manche Menschen erinnern uns daran, was möglich ist, wenn Liebe zum Antrieb wird. Irmi Wette ist so ein Mensch. Die Gründerin von “Pfoten weg!” engagiert sich gegen sexualisierte Gewalt an Kindern.

Wenn sie spricht, wirbelt ein ganzer Kosmos durch ihre Worte, mal liebevoll-sprudelnd, mal glasklar. Ihre Stimme schwankt zwischen Spielfreude, Ernst und Leidenschaft. Alles an ihr ist Bewegung. Innen wie außen. Und sie will etwas bewirken, mit Herz, Verstand und einer Stimme, die nicht verstummt. Die Rede ist von Irmi Wette, Künstlerin, Pädagogin, Aktivistin und Gründerin von Pfoten weg!, einem mehrfach ausgezeichnetes Projekt zur Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern.

Seit über zwanzig Jahren tourt Irmi mit ihrem selbst entwickelten Theaterstück durch ganz Deutschland und gastiert in sozialen Kindertageseinrichtungen, gibt Elternabende, Fortbildungen und Interviews, und hat längst mehr als 125.000 Kinder und Erwachsene erreicht. Ihr Ziel: Kinder stärken. Erwachsene sensibilisieren. Und das Thema sexualisierte Gewalt mit Klarheit und Herz in die Mitte der Gesellschaft rücken. Ohne Angst und ohne Scham, mit Tiefe, Mut und Leichtigkeit.

„Manchmal braucht es einen langen Atem”

„Ich hatte immer den Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen”, sagt sie. „Manchmal braucht es einen langen Atem, aber ich bin unendlich dankbar für das, was ich bisher bewirken durfte. Und in beWIRken steckt das Wort „Wir“ – wir können alle etwas beitragen. Kunst und Figurentheater sind fantastische Medien, um Menschen tief zu berühren.”
Sie steht auf der Bühne, nicht trotz ihrer Geschichte, sondern mit ihr. Und genau darin liegt ihre Kraft. Irmis Geschichte ist keine laute Heldenreise. Es ist eine Menschengeschichte. Mit Zweifeln, Krisen, Wendepunkten. Und mit der tiefen Überzeugung: Licht ist stärker als jede Dunkelheit. Es ist das Motto ihres internationalen gemeinnützigen Vereins und der Geist in dem sie wirkt: „Ich lade die Menschen ein, hinzusehen, ein Licht ins Dunkel zu tragen… und eine Sonne für Kinder zu sein.“

Eine Form gelebter Selbstliebe

Was Irmi Wette tut, ist weit mehr als Theater. Es ist eine Form gelebter Selbstliebe – für sie selbst und für andere. Und auch ein Weg, Schmerz zu transformieren. Ein Geschenk an eine Welt, die oft noch den Blick abwendet, wo es am meisten hinzusehen gilt. „Als sekundär traumatisierte Person habe ich verschiedene Arten von Traumata kennengelernt. Ich habe gelernt: Es lohnt sich, sich für eine bessere Welt einzusetzen.“
Die Bühne wurde zu ihrem Transformationsort. Ihre Herzens-Mission half ihr, den frühen Verlust einer engen Jugendfreundin zu verarbeiten: „Es hat mir viele Jahre unsagbar wehgetan, dass ich meine Freundin nicht retten konnte, doch durch Pfoten weg! hab ich das Gefühl, dass sie nicht umsonst gestorben ist. Durch meine Arbeit habe ich tausenden Kindern beibringen dürfen, dass sie keine Schuld tragen, wenn jemand ihre Grenzen verletzt. Und auch ich durfte begreifen, dass ich keine Schuld trage.”

Sich selbst annehmen will gelernt sein

Das Projekt ist für sie gelebte Selbstwirksamkeit und Ausdruck tiefer Verbundenheit. Verbundenheit mit dem Leben und mit ihrem Licht, dem inneren Kompass. Mit ihrer Kunst schenkt sie Vertrauen in das Gute. „Ich liebe die Provokationstherapie”, sagt sie lachend. „Ich spiele ja auch Kasperle-Theater, und der Kasper war immer der Narr, der den Menschen den Spiegel vorgehalten hat. Ich stelle gerne Fragen, damit sich Menschen selbst erkennen können… wo sie noch nicht ihr wahres Selbst leben, wo sie sich noch verstecken, weil sie Angst haben sichtbar oder zu viel zu sein und so ihr Leben nicht in Selbstbestimmung und Selbstliebe leben können.“

Viele Menschen kämpfen ein Leben lang damit, sich selbst anzunehmen, hängen fest in Zweifeln und Schuldgefühlen. Denn auch Selbstablehnung wird zu unserer Komfortzone, wenn wir schon in jungen Jahren mit entsprechenden Mustern und Prägungen „gefüttert“ werden. Dann nimmt unser System das irgendwann als Normalität an und wenn wir später versuchen ein Leben in Liebe und Selbstachtung zu führen, ist es gar nicht so einfach den Mut aufzubringen, Licht und Liebe zuzulassen. Sich selbst anzunehmen und zu lieben, wenn wir es nicht gelernt haben, kann sich fremd anfühlen oder sogar Angst machen.

Kleine Augenblicke, in denen sich etwas weitet

Irmi weiß, wie tief diese alten Muster reichen können. Gerade deshalb spricht sie bei Selbstliebe als ein Geschenk an die Welt. „Wenn wir uns selbst mit unserer Geschichte im Mitgefühl begegnen können, fällt es uns leichter, auch andere Menschen mit ihren Prozessen anzunehmen. Ich frage mich immer, was würde die Liebe machen? Denn genau das brauchen Kinder: Erwachsene, die ihre eigenen alten Ängste und Geschichten nicht unbewusst projizieren und weitergeben. Die wach und aufmerksam sind, Licht von Schatten unterscheiden können.“

In ihren Elternabenden oder Seminaren für pädagogische Fachkräfte spürt man diese Haltung. Und Irmi urteilt nicht. Sie schafft Räume, ihr offener Umgang mit dem sensiblen Thema der sexualisierten Gewalt macht auch anderen Mut sich zu öffnen. Oft kommen Menschen auch später noch auf sie zu und erzählen ihr, dass etwas in ihnen in Gang gesetzt wurde. Und manchmal, sagt sie, beginnt dieser erste Schritt mit einem einzigen Satz. Einem Satz, den ein Kind nie vergisst. Oder einfach dem Gefühl: Ich bin nicht allein. Irmi nennt das „goldene Momente“ – kleine Augenblicke, in denen sich etwas weitet, in denen Licht in einen dunklen Winkel fällt… und die Dunkelheit auflöst.

Diese goldenen Momente sind es, die sie weitermachen lassen. Auch wenn es oft schwierig ist. Auch wenn Förderanträge nicht durchgehen, Termine eng getaktet sind und ihre Kraft manchmal zu Neige geht – im Spagat zwischen eigener Familie, ihrem künstlerischen Schaffen, der Vereinsarbeit, den Geschichten und Schicksalen anderer. Doch am Ende, sagt sie, bleibt das gute Gefühl: „Für jedes Kind, das gestärkt und mutiger aus meinem Figurentheater geht, lohnt es sich. Ich werde nie leise werden.“

Ihre Kreativität sieht sie als Geschenk Gottes

Ihre Uroma, Adelheid Wette war Librettistin der weltberühmten Oper „Hänsel und Gretel“, ein Werk, das Millionen Menschen berührt hat. Heute ist es Irmi, die mit ihrer Kunst neue Räume öffnet, für Licht, Selbstermächtigung und Heilung. Besonders bewegt hat sie der Abendsegen aus der Oper, die Szene, in der vierzehn Engel sich schützend um die Kinder stellen. Aus dieser Inspiration ist ein Herzensprojekt entstanden: Jedes Jahr möchte Irmi vierzehn Engel als Bilder und Skulpturen erschaffen und sie als Zeichen der Hoffnung zugunsten des Kinderschutzes verkaufen.

Eine Geste der Verbundenheit. Und ein stilles Versprechen: Dass Kunst Licht schenken kann – und Kinder nicht allein sind. Was sie der Welt hinterlassen möchte? „Meine ganze Kreativität. Mein Wissen. Meine Kraft. Ich möchte Erwachsene begleiten, damit sie dazu beitragen, dass die Welt für Kinder lebenswerter wird, dass ihr Licht gar nicht erst gedimmt wird, sie stark und selbstbestimmt groß werden.“ Denn wenn wir früh genug ansetzen, können wir Kinder vor Traumata bewahren und damit auch dafür sorgen, dass nicht noch mehr Angst und Schrecken energetisch ins Kollektiv fließen und weitergetragen wird, sondern das Bewusstsein der Menschen langsam immer heller und lichtvoller wird.  Wir dürfen Mut zur Liebe entwickeln.

Trau dich, dein Licht zu zeigen

Für Irmi ist Selbstliebe kein Luxus. Sondern eine Haltung. Eine Kraft, die sich nicht über andere stellt, sondern sich tief mit dem Leben verbindet. “Wir alle tragen Juwelen in uns. Und wir dürfen sie zeigen.” Ihr Glaube an den Wandel ist unerschütterlich. “Transformation schenkt uns größte innere Freiheit”, sagt sie. Und sie lebt genau das.

Wenn sie sich heute selbst begegnen würde? “Ich würde mir sagen: Du darfst jeden Zweifel verabschieden. Glaub an den göttlichen Plan. Lass alte Prägungen los. Denn du bist mehr als deine Gedanken und Gefühle, deine Geschichte. Trau dich der Welt dein Licht zu zeigen.“
Christina Stern

www.pfoten-weg.de

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