Der Umgangston im gesellschaftlichen Miteinander wird rauer. Freundlichkeit wird oft mit Schwäche gleichgesetzt. In Wahrheit ist sie aber eine Stärke, die uns und andere glücklicher macht.
Worüber schreibst du gerade?“, fragt meine Freundin, nachdem sie mir eben erzählt hat, wie viele Tier- und Pflanzenarten täglich aussterben. „Über Freundlichkeit“, antworte ich. „Noch so eine bedrohte Spezies“, sagt sie und unterstreicht ihre These mit einer Begebenheit aus dem Supermarkt. Als eine Kundin die lila gefärbten Haare der Verkäuferin mit Lob überschüttet, strahlt diese übers ganze Gesicht. Doch bevor sie sich für das Kompliment bedanken kann, faucht die Nächste in der Schlange, sie wolle jetzt endlich bedient werden, schließlich sei dies ein Käsestand und kein Ort, überflüssige Freundlichkeiten auszutauschen. „Die wichtigste Ursache des Artensterbens ist übrigens die Zerstörung des natürlichen Lebensraums“, fügt meine Freundin hinzu.
Der Egoismus nimmt zu
Meine Freundin hat Recht: Freundlichkeit könnte tatsächlich auf der Liste aussterbender Arten stehen. Im Geschäftsleben gilt sie als Schwäche, in den Sozialen Medien als weitgehend ausgerottet und im Straßenverkehr als Rarität. „Da wundert es nicht, dass in einer aktuellen Forsa-Umfrage der DAK 70 Prozent der Bevölkerung angaben, das soziale Miteinander habe sich ihrer Wahrnehmung nach in den letzten drei Jahren verschlechtert“, schreibt Autorin und Psychologin Nora Blum. „67 Prozent der Befragten berichteten davon, eine Zunahme von Beleidigungen und Respektlosigkeit zu erleben. Andere nannten Egoismus, Ausgrenzung und Gleichgültigkeit.“
Freundlichkeit ist lernbar
In der Regel mögen wir es, wenn Menschen freundlich zu uns sind. Wahrscheinlich nimmt sich auch niemand vor, den ganzen Tag so richtig unfreundlich zu sein. Trotzdem reagieren wir in entsprechenden Situationen im Zweifelsfall ärgerlich und wütend und fühlen uns unvermittelt schlecht behandelt. Blicken wir abends auf den Tag zurück, haben wir einen Gutteil unserer kostbaren Lebenszeit damit vergeudet, uns über pampige Paketboten, aggressive WhatsApp-Kommentare und die eigene Dummheit zu ärgern. Nicht selten schnauzen wir dann auch noch die einzige Person an, die versucht, uns zu trösten. Lieber wollen wir in aller Ruhe mit der bösen Welt hadern. Wir werden auch nicht als freundliche oder unfreundliche Menschen geboren. „Grundsätzlich geht die Wissenschaft davon aus, dass Freundlichkeit keine feste Eigenschaft ist, die man entweder hat oder nicht hat“, schreibt Blum.
Zum Weiterlesen:
Nora Blum, Radikale Freundlichkeit – Wie sie dein Leben revolutioniert, Kailash Verlag, 18 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 3/2025
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