Mit guten Gedanken in die Nacht

Du hast alles richtig gemacht: Dein Schlaf­zimmer ist aufgeräumt und ideal temperiert, Kissen und Matratze sind eine Wohltat für ­deinen Rücken, alle Bildschirme sind ausgeschaltet – und trotzdem kreist das Gedankenkarussell und du kommst nicht zur Ruhe? Wir zeigen dir, wie du mit der Kraft deiner Gedanken entspannt ­einschlafen und erholt aufwachen kannst

Die Augenblicke vor dem Einschlafen sind eine besondere Zeit für unsere Psyche. Denn im Raum zwischen Tag und Nacht können wir uns selbst begegnen. Dazu brauchen wir vor allem gute Gedanken, die uns zur Ruhe kommen lassen. Unser Gehirn nimmt mit in den Schlaf, womit wir es tagsüber füttern. Aber wie sorgen wir dafür, dass aus den unzähligen Informationen, die wir im Laufe eines Tages aufnehmen, über Nacht keine Sorgen und Ängste werden, sondern Kraft, Schwung und Lebensfreude? Genau damit befasst sich Volker Busch, Arzt und Hirnforscher an der Universität Regensburg und nun auch Bestsellerautor. Neueste Untersuchungen zeigen, dass „in unserem Gehirn bevorzugt jene Gedanken keimen, deren Saat wir ganz bewusst am Ende des Tages setzen“, erklärt Volker Busch in seinem Buch „Gute Nacht, Gehirn“.

Eine Zeit des Innehaltens

Die Zeit zwischen Zubettgehen und Einschlafen ist wie geschaffen dafür, innezuhalten und uns über das eine oder andere bewusst zu werden, wozu in der Geschäftigkeit des Tages kein Raum war. Jetzt können wir ns gezielt auf das fokussieren, was uns guttut. Nutzen wir diese Chance, denn „gute Gedanken am Abend schenken uns Klarheit im Kopf und Frieden im Herzen“, versichert Busch.
Diese guten Gedanken haben allerdings eine Besonderheit: Sie sind leise. Deshalb werden sie vom Lärm des Tages oft übertönt, am meisten von dem Lärm in unserem Kopf. Die Informationen, die wir tagsüber aufnehmen, „werden zur Grundlage von Gedanken und Gefühlen, die oft ziemlich lautstark durch unseren Schädel kreisen“, erklärt Busch anschaulich. Die äußere Reizflut macht uns schwerhörig für unsere innere Stimme, die ganz genau weiß, was uns guttut, und uns Klarheit und Sicherheit schenkt.
Doch gegen diese Schwerhörigkeit ist ein Kraut gewachsen: Abstand und Stille. Beides entsteht, wenn wir einen Moment innehalten, um da anzukommen, wo wir gerade sind. Wir müssen nicht gedanklich immer einen oder drei oder hundert Schritte voraus sein, ganz besonders nicht am Abend, wenn wir ohnehin keinen davon mehr umsetzen können. In den Momenten, die wir uns nehmen, um nachzuspüren, wo wir eigentlich stehen, merken wir viel klarer, „was geht“.

Sich das Gute in Erinnerung rufen

Zugleich sind Innehalten und Stille für uns manchmal schwer auszuhalten. Denn ausgerechnet dann kommen all die Gedanken hoch, die bisher verdrängt waren: bohrende Fragen nach dem, was wir „falsch“ gemacht haben, dringende Appelle, etwas zu erledigen, vielleicht sogar Selbstvorwürfe. Solche Gedanken sind nicht schön, haben aber ihre Bedeutung, weil sie uns zum Beispiel sagen, was uns wichtig ist oder wovor wir uns in Zukunft vielleicht besser schützen möchten. Wir können sie wahrnehmen, anerkennen und dann getrost wieder zur Seite schieben – und uns bewusst auf etwas Schönes konzentrieren, das wir heute gesehen oder erlebt haben. Denn „an das Schlechte erinnert uns unser Gehirn meist ganz von allein; das Gute müssen wir uns dagegen selbst immer wieder in Erinnerung rufen“, erklärt Volker Busch augenzwinkernd. Vielleicht entsteht sogar ein Moment der Dankbarkeit. Und plötzlich wissen wir, was wir wollen. Wir sind nicht mehr Getriebene, sondern gewinnen Klarheit darüber, was zu tun ist. Denn, so sagt der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl: „Die Stille zieht Gedanken an, die der Lärm verjagt.“

Gönn dir öfter mal stille Auszeiten

Einfacher wird das Aussteigen aus dem Gedankenkarussell, wenn wir uns auch tagsüber immer wieder kleine stille Auszeiten gönnen: Spazierengehen ohne Podcast im Ohr, in der Straßenbahn einfach mal gedankenverloren aus dem Fenster schauen, am Wochenende ein Stündchen lesen mit nichts weiter als einer guten Tasse Tee. Dabei gilt: Lieber kurz und oft als lang und selten, denn die Nervenzellen in unserem Gehirn sprechen besonders gut auf einen Zustandswechsel an. Studien zeigen, dass der größte Erholungseffekt in den ersten Minuten entsteht. Bereits dann sinken Blutdruck und Stresshormone deutlich.
Stille in kleinen Dosen darf gern zur Gewohnheit werden. Denn Gewohnheiten können für die Psyche eine wertvolle Funktion erfüllen. In erster Linie bringen sie Entlastung: Für alles, was ich mir angewöhnt habe, brauche ich keine Entscheidungsenergie mehr aufzubringen. Ich muss nicht mehr lange überlegen, ich tue es einfach. Das bringt echte Stressreduktion. So werden Gewohnheiten zu kleinen Inseln der Ruhe. Gerade wenn wir viel um die Ohren haben, ist es deshalb enorm hilfreich, wenn wir an unserem Sportverein, Lesekreis oder Chorgesang festhalten. Eine Studie der Harvard Business School hat sogar gezeigt, dass sich negative Gefühle wie belastende „Erinnerungen oder Verlustängste, in denen man sich im schlimmsten Fall hoffnungslos verlieren kann, durch alltägliche Routinen signifikant abschwächen lassen“, berichtet Volker Busch. Besonders wenn sich in der Welt viel verändert, sind Gewohnheiten eine wichtige Stütze, denn auf sie ist Verlass.

Zum Weiterlesen: Volker Busch, Gute Nacht, Gehirn. Gedanken, um zur Ruhe zu kommen, Droemer Knaur Verlag, 18 Euro

Den ganzen Artikel findest du in unserer bewusster leben Ausgabe 1/2026

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