In einer Welt, in der unser Fokus grundsätzlich auf dem Außen liegt, sind wir darauf konditioniert, vor allem die Bedürfnisse anderer zu sehen: Kinder, Haushalt, Partnerschaft, Freundschaften und natürlich berufliche Anforderungen. Das alles mit einem Lächeln – und bitte in Bestform. Die eigenen Bedürfnisse? Oft zweitrangig. Das Dramatische: Dafür gibt es sogar noch Applaus, Lob, Anerkennung, Extraboni. Und schon sind wir Teil des Karussells. Doch manchmal – in stillen Momenten – spüren wir: Etwas stimmt hier nicht. Innere Leere, Taubheit und Energielosigkeit. Und es wird klar: Die Rechnung geht nicht auf. Irgendwie ist das alles kein guter Deal. In einer Kultur der Dauerleistung ist Selbstfürsorge revolutionär. Sie bedeutet nicht Rückzug, sondern Rückverbindung – mit uns selbst.
Selbstfürsorge beginnt dort, wo wir den Fokus auf uns selbst richten, uns wichtig nehmen und Verantwortung für unsere Bedürfnisse, unsere Grenzen, unser inneres Erleben übernehmen.
Sabine Ay begleitet Menschen auf dem Weg zu einem achtsamen, erfüllten Leben. In ihrer Arbeit geht es vor allem darum, wie wir wieder Kontakt mit uns selbst aufnehmen können. Was sie dabei beobachtet hat: Selbstfürsorge wird oft mit Wellness, Schaumbädern oder digitalem Detox verwechselt. Selbstfürsorge ist aber weit mehr als das.
“Selbstfürsorge darf faul aussehen, auch und vor allem dann, wenn du glaubst, keinen Freiraum dafür zu haben” Sabine Ay
Wahre Selbstfürsorge ist ein innerer Akt der Selbstliebe – eine Haltung, die wir kultivieren dürfen, und zwar jeden Tag. Selbstliebe ist kein Gefühl – sie ist eine Entscheidung.
Oft warten wir auf den „richtigen Moment“, um uns selbst mehr lieben zu können: wenn ich endlich gelassener, erfolgreicher, schlanker oder spiritueller bin. Doch Selbstfürsorge ist keine Belohnung – sie ist der Anfang, die Grundlage. Der Nährboden für alles, was kommt.
Erfüllte Beziehungen setzen Selbstfürsorge voraus
Selbstfürsorge ist nicht egoistisch. Sie schafft Verbindung – aus einem inneren Überfluss heraus. Nur wer sich selbst liebevoll begegnet, kann dauerhaft erfüllte Beziehungen führen. In einer Zeit der ständigen Erreichbarkeit ist sie kein Luxus, sondern ein Fundament für gelungene Beziehungen. Sie fragt: „Wie geht es mir?“ „Was ist mir wichtig?“ „Was brauche ich?“ „Wie begegne ich mir, wenn ich scheitere?“ Mitfühlend mit sich selbst zu sein – vor allem, wenn ich gerade nicht die Version bin, die ich gerne wäre – ist keine Schwäche, sondern eine Stärke.
Du bist eine Blume – und darfst blühen
Stell dir vor, du bist eine Blume. Vielleicht eine Sonnenblume, eine Lilie, eine Nelke. Was brauchst du, um zu blühen? Welche Bedürfnisse hast du und wie kannst du sie dir erfüllen? Mache dich selbst zu deiner obersten Priorität. Nicht irgendwann. Jetzt!
In Verbindung mit mir selbst
Unser Körper sendet Signale: Müdigkeit, Enge, Verspannung. Das sind keine Störungen, sondern Botschaften. Erlaube dir, wieder in deinen Körper hineinzuspüren, statt ihn nur zu „benutzen“. Dies öffnet die Tür zur echten Selbstverbindung.
Grenzen setzen
Ein oft unterschätzter Aspekt der Selbstfürsorge ist das klare Setzen von Grenzen. „Nein“ zu sagen ist kein Egoismus – es ist ein „Ja“ zu dir selbst. Viele Menschen haben verlernt, ihre eigenen Kapazitäten ernst zu nehmen. Sie übergehen sich aus Angst vor Ablehnung oder Schuldgefühlen. Doch wer immer wieder über seine Grenzen geht, brennt aus – körperlich, emotional, mental und seelisch.
Lümmel-Tag
Ein Lümmel-Tag ist ein wunderbar entspannter Selbstfürsorge-Tag – ganz ohne To-dos, ohne Druck, ohne Leistung. Nur du, dein Sofa (oder Bett), Snacks, Gemütlichkeit und das bewusste Gefühl: „Ich darf heute einfach sein – ohne Pflicht, ohne Plan.“ Handy aus, Herz an. Nur du. Nur Jetzt!
Überlege, was dir gut tut
Nimm dir die Zeit, zu überlegen: Was tut mir gut? Was macht mir Freude? Schreibe alles, was dir einfällt, auf einen Zettel. Das können Kleinigkeiten wie ein angenehmer Duft oder schöne Blumen sein,
genauso wie ein Ausflug in den Wald oder die Berge, um dem Alltag zu entfliehen.
Sabine Ay ist Supervisorin, Coach und Trainerin. Das Thema „Selbstfürsorge“ ist Grundlage ihrer täglichen Arbeit. Sie begleitet Menschen dabei, sich selbst wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen und Selbstfürsorge aktiv in den Alltag zu integrieren. Sie ist überzeugt, dass Selbstfürsorge nicht nur eine Ressource, sondern vor allem die Grundlage für ein glückliches Leben ist. Sie arbeitet in eigener Praxis in Berlin/Prenzlauer Berg.