Warum ist es oft so schwer sich selbst zu lieben?

Manchmal sind es die dunkelsten Momente, die uns den Weg zum Licht zeigen. Der Erfolg führte Tanya Wolf in die Krise und wieder zurück. Aus diesem Prozess entstand ihre Mission: Als Coach und systemische Beraterin begleitet sie heute Menschen dabei, authentisch zu führen und ein Leben in Einklang mit sich selbst zu gestalten. Hier erzählt sie ihre Geschichte.

Ich bin in in einem kleinen Familienbetrieb aufgewachsen, wo Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung großgeschrieben wurden. In diesem Umfeld entwickelte ich früh die Überzeugung, dass mein Wert mit meiner Leistung und meinem Beitrag zusammenhängt. Meine Eltern liebten mich – davon bin ich überzeugt. Dennoch prägte sich in mir unbewusst der Glaube ein: Ich bin wertvoll, wenn ich etwas leiste.
Ich wurde ehrgeizig, fleißig, perfektionistisch – und erfolgreich. 20 Jahre lang kletterte ich rastlos die Karriereleiter hoch und jagte von einem Projekt zum nächsten – die letzten 10 davon in einem internationalen Technologie-Konzern, wo ich Teams auf drei Kontinenten führte. Als Mutter und Ehefrau wollte ich genauso perfekt sein – immer für alle da.

Der Moment, als alles stillstand

Schleichend kamen die Warnsignale: Nackenschmerzen von der Last, die ich auf meinen Schultern trug. Hörstürze – vom „zu viel um die Ohren haben“. Dazu kam Schwindel – ich war vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten. Doch ich machte weiter. Redete mir ein, dass es nicht so schlimm ist und ich einfach durchbeißen muss.
Bis zu diesem einen Morgen. Ich öffnete die Augen und der ganze Raum drehte sich. Der Schwindel zwang mich in die Knie. Diagnose: Lagerungsschwindel aufgrund von Stress und Überlastung.
Jahrelang ignorierte ich meine eige­nen Leistungsgrenzen. Ich priori­sierte den Job, die Kinder, mein soziales Umfeld – und mich selbst stellte ich hinten an. Meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse hatte ich schon lange stummgeschaltet. Mir wurde irgendwann klar: Ohne Hilfe würde ich nicht aus dieser Spirale herauskommen. Diese Erkenntnis war mein erstes „Ja“ zu mir selbst.

Selbstliebe beginnt mit Selbstfürsorge

Als Kinder brauchen wir vor allem eines: das Gefühl, geliebt zu sein – einfach so, ohne Bedingungen. Wir wünschen uns, gesehen zu werden mit allem, was in uns lebt: Freude, Angst, Wut, Traurigkeit, Wildheit, Zärtlichkeit. Doch wenn ­unsere engsten Bezugspersonen uns signali­sieren, dass manche Gefühle „zu viel“, „nicht passend“ oder gar „falsch“ sind, beginnen wir, diese Anteile von uns selbst zu verstecken.

Stück für Stück schließen wir bestimmte Räume in uns ab. Räume, in denen unsere ursprünglichen Gefühle wohnen. Aus Angst, abge­lehnt zu werden, verriegeln wir diese Räume. Wir lassen das Licht ausgehen, ziehen die Vorhänge zu – und gehen weiter, als wäre nichts gewesen. Wir lernen Strategien, um diese Gefühle zu unterdrücken.
Aber die verschlossenen Räume verschwinden nicht. Sie liegen wie vergessene Zimmer in einem alten Haus. Und obwohl wir versuchen, die Türen geschlossen zu halten, spüren wir ihre Präsenz: als innere Unruhe, als Schwere, als Druck, immer stark und „richtig“ funktionieren zu müssen. Selbstliebe bedeutet, den Mut zu fassen, durch unser inneres Haus zu gehen. Uns den staubigen, vergessenen Räumen zuzuwenden. Die Tür zu öffnen – nicht mit Gewalt, sondern mit Mitgefühl. Es geht darum, zu verstehen, wer wir sind und warum wir so sind, wie wir sind. Selbstliebe heißt auch, sich selbst anzunehmen – mit allen Unperfektheiten.

Warum fällt uns Selbstliebe so schwer?

Soziale Medien, Leistungsdenken, Schönheitsideale, der gesellschaftliche Druck, in die Norm zu passen – all das signalisiert uns täglich, dass wir anders sein müssten, um wertvoll zu sein.
Hinzu kommt, dass uns in unserer Kultur oft beigebracht wurde, dass Selbstliebe Egoismus sei. Dabei ist das Gegenteil wahr: Wer sich selbst liebt, kann andere echt und ohne versteckte Erwartungen lieben. Das bedeutet nicht, dass man sich Vorteile verschafft auf Kosten anderer. Der ständige Vergleich macht uns blind für die eigene Einzigartigkeit.

Wie beginne ich, mir gegenüber liebevoller zu sein?

Es beginnt mit der Erkenntnis, dass wir Architekten unseres eigenen Lebens sind. Niemand außer uns selbst ist für unser Glück verantwortlich. Das bedeutet, zuerst für uns selbst zu sorgen, unsere Bedürfnisse ernstzunehmen und achtsam mit uns selbst umzugehen, bevor wir Energie an andere geben.

Konkret heißt das:

  • Frage dich mit Mitgefühl: Wo lebe ich mein authentisches Selbst und wo spiele ich noch immer Rollen aus Angst vor Ablehnung?
  • Nimm alle Emotionen – auch Wut, Angst, Traurigkeit – als wichtige Botschafter und Energie wahr, statt sie sofort negativ zu bewerten.
  • Versuche die eigene Geschichte zu verstehen – welche Muster und Überlebensstrategien aus der Vergangenheit wirken heute noch und welche davon sind hilfreich, welche hinderlich?
  • Erlaube dir, Mensch zu sein – lerne deine eigenen Ressourcen kennen, inklusive den Fehlern, Grenzen und Ängsten. Nimm dich mit allem an, was dich zu der Person gemacht hat, die du heute bist.
  • Verändere deine innere Stimme – werde vom harschen Kritiker zu deinem wohlwollenden, unterstützenden Begleiter.
  • Nimm deine eigenen Bedürfnisse ernst, statt sie zu übergehen.
  • Lerne, Nein zu sagen, wo ein Ja zu anderen ein Nein zu dir selbst wäre.
  • Sei es dir wert, Hilfe anzunehmen.

Wenn wir in dieser Haltung mit uns selbst verbunden sind, erlauben wir uns, sichtbar zu sein, mit allem, was uns ausmacht. Unser Wert hängt nicht mehr davon ab, was andere in uns sehen.
Daraus entsteht ein gesunder Boden, auf dem Selbstbewusstsein wachsen kann: das ehrliche Erkennen, wer wir sind, was wir fühlen, brauchen und glauben. Und auch Selbstvertrauen beginnt hier. Es ist das Vertrauen in unser Handeln, unser Können, unsere Fähigkeit, mit dem Leben umzugehen.

Wie sich mein Leben veränderte

Als ich angefangen habe, mich selbst anzunehmen, stellte ich mich nicht mehr an die letzte Stelle. Ich gönnte mir Pausen und erlaubte mir Ruhe, kümmerte mich um mich selbst – ohne schlechtes Gewissen. Ich hatte den Mut, mich zu zeigen und meine eigenen Bedingungen zu stellen, Bedürfnisse zu äußern. Statt mein Leben passiv zu erleben, begann ich es aktiv zu gestalten. Ich fing an, selbstbestimmt zu leben. Auch in unserer Beziehung hatte meine Haltung einen riesigen Effekt. Unsere gemeinsame Auseinandersetzung mit uns selbst hat unsere Beziehung fundamental verändert und eine neue, gesunde Basis geschaffen. Als Mutter erkannte ich: Ich kann meinen Kindern nur das vermitteln, was ich selbst empfinde und lebe. Körperliches Wohlbehagen, Vertrauen in mich und mein Handeln, Vertrauen in das Leben – all das beginnt bei mir.
Im Job konnte ich klare Grenzen setzen, Nein sagen und für mich einstehen. Das ständige Vergleichen mit anderen verlor seine Macht über mich. Ich lernte, konstruktive Kritik zu geben und anzunehmen – ohne schlechtes Gewissen, ohne mich davon definieren zu lassen. Je bewusster ich mir meiner Gefühle, Emotionen und Muster wurde, desto mehr Selbstbestimmung gewann ich zurück. Ich bin überzeugt: Nur wer sich selbst führt, kann andere authentisch führen. Echtheit schafft Vertrauen.

Heute hilft mir meine Geschichte, meine Klienten authentisch zu begleiten. Als Coach und systemische Beraterin unterstütze ich Menschen dabei, erfolgreich zu sein UND sich selbst treu zu bleiben. Ihre Authentizität und Menschlichkeit durch Selbstliebe (wieder) zu entdecken und ihr Leben so zu gestalten, wie es ihren persönlichen Werten und Bedürfnissen wirklich entspricht. Für mich ist Selbstliebe zur wichtigsten Führungskompetenz geworden. Nicht nur für andere. Sondern vor allem für mich selbst. Selbstliebe ist kein Ziel, sondern ein innerer Weg. Nicht die Perfektion ist wichtig – sondern die Richtung. Und wenn die See rau wird, hilft ein erfahrener Begleiter.

Gerne unterstütze ich Sie auf
Ihrem individuellen Weg.

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.tanyawolf.ch

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