Trainiere wie eine Frau

Die Sportwissenschaftlerin Tabea Lorch vermittelt ein fundiertes Verständnis für ein Training, das auf der weiblichen Physiologie basiert, und beleuchtet die verschiedenen Lebensphasen einer Frau und die daraus entstehenden spezifischen Bedürfnisse.

eben unterschiedlichen Lebensrealitäten unterscheiden sich Männer und Frauen auch in ihrer Physiologie: Frauen haben weniger Muskelmasse und mehr Fettgewebe. Ihr Stoffwechsel funktioniert anders. Vielleicht hast du dich schon mal gefragt, warum dein Trainingsplan so gut klingt – und sich trotzdem nicht gut anfühlt. Warum dein Körper manchmal scheinbar „bockt“, obwohl du dich an alle Vorgaben hältst. Warum dein Fortschritt stagniert, obwohl du dranbleibst.

Frauen sind anders als Männer

Die Antwort ist oft einfacher – und gleichzeitig komplexer – als gedacht. Sie lautet:: Frauen sind anders als Männer. Und deshalb müssen sie auch anders trainieren. Denn das Training, das man uns beigebracht hat, ist selten für Frauen gemacht worden. Der Großteil der sportwissenschaftlichen Studien basiert auf männlichen Teilnehmern. Warum? Weil unser Hormonhaushalt als zu „unberechenbar“ gilt. Was auf den ersten Blick wie ein organisatorisches Problem klingt, ist in Wahrheit ein blinder Fleck mit weitreichenden Folgen. Denn wenn die Grundlage der Trainingslehre einseitig ist, sind es auch die Empfehlungen.
Trainingspläne, Ernährungsempfehlungen, Regenerationsphasen – sie alle folgen meist einem linearen System. Nur: Wir Frauen sind nicht linear. Unser Körper funktioniert zyklisch – und das betrifft jede Phase unseres Lebens. Vom ersten Zyklus über Schwangerschaft, Rückbildung und Kinderwunschzeit bis hin zur Menopause. Und genau hier braucht es ein neues Verständnis: weg vom starren Dogma, hin zu einem Training, das unserer, der weiblichen Realität gerecht wird.

Zykluswissen ist Körperwissen

Der weibliche Zyklus ist kein lästiger Störfaktor – er ist ein biologischer Kompass. Wer ihn versteht, kann Trainingsreize so setzen, dass sie wirklich wirken. So fühlen sich viele Frauen in der Follikelphase der Menstruation leistungsstärker, belastbarer und motivierter. In dieser Phase eignet sich ein intensives Krafttraining oder ein neuer Laufblock besonders gut.
Rund um den Eisprung steigen dann Energielevel und Selbstbewusstsein oft auf ein Maximum. Aber: Nicht jede Frau erlebt ihre Energie auf dem Höhepunkt ihres Eisprungs. Wir sehen also: Den eigenen Körper zu verstehen und individuell richtige Trainingsentscheidungen zu treffen, ist für Frauen besonders wichtig.
Die Lutealphase (die nach dem Eisprung beginnt und bis zum Einsetzen der nächsten Menstruation dauert) dagegen verlangt eher nach Rücksicht – die gefühlte Leistungsfähigkeit nimmt oft etwas ab, die Regeneration verlängert sich, Stress wird intensiver empfunden. Wer in dieser Phase mit dem Kopf durch die Wand will und hart trainiert, riskiert mehr, als sie gewinnt. Und während in vielen klassischen Trainingsprogrammen diese Dynamik völlig ignoriert wird, sagt unser Körper ganz deutlich: „Stopp mal! Ich bin nicht jeden Tag gleich – behandle mich auch nicht so.“

Frauenkörper funktionieren nicht schlechter, sondern anders

Aber was bedeutet das konkret für deinen Trainingsalltag? Hier findest du eine Auswahl von Punkten, die du sofort für dich überprüfen und anpassen kannst. Frauenkörper funktionieren nicht schlechter – sondern anders. Und genau das darf sich auch im Training widerspiegeln.

  1. Passendes Krafttraining für die Muskelstruktur
    Frauen haben einen etwas geringeren Anteil an schnellzuckenden Muskelfasern (Typ II), dafür aber eine höhere Ausdauerleistung auf muskulärer Ebene. Frauenkörper sind deshalb weniger auf kurzfristige Maximalkraft ausgelegt – aber exzellent darin, über längere Zeit gleichmäßige Leistung zu bringen. Gleichzeitig steigt ab Mitte dreißig das Risiko für Muskelabbau – besonders, wenn die Hormonproduktion sich langsam verändert.
    Krafttraining erhöht die Funktionalität der Muskulatur und erlaubt uns, diese langfristig besser anzusteuern. Was plakativ klingt, wurde schon in vielen Studien bestätigt: Menschen mit mehr Muskelkraft haben ein signifikant geringeres Sterberisiko, und die allgemeine Lebensqualität wird verbessert. Das liegt daran, dass Muskulatur und Knochendichte gestärkt werden und sich Krafttraining positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit (z. B. Blutdruck) auswirkt. Außerdem hat Krafttraining einen positiven Effekt auf die Insulinsensitivität und kann daher wunderbar bei PCOS oder menopausalen Symptomen eingesetzt werden. Mein Tipp: Starte mit zwei Einheiten Ganzkörper-Krafttraining pro Woche. Du brauchst kein Fitnessstudio – aber du brauchst gezielte Reize. Nutze Widerstände, kontrollierte Bewegungen und steigere dich.
    Tabea Lorch

Zum Weiterlesen:
Tabea Lorch, Frauen trainieren anders, Mankau Verlag, 20 Euro

Noch viel mehr Tipps für einen frauenspezifisches Training von Tabea Lorch findest du in unserer bewusster leben Ausgabe 4/2025

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