Positive Emotionen festigen langfristig unser Wohlbefinden, öffnen Herz und Verstand und steigern unsere Leistungsfähigkeit. Und das Beste daran: Wir können sie ganz bewusst zu uns einladen.
Manchmal wenn ich abends auf den Tag zurückschaue, stürzen sich meine Gedanken zielsicher auf die einzige Panne. Oder letzten Samstag: Kaum hatte ich die Augen geöffnet, fühlte ich mich grundlos gereizt. Eigentlich sollte ich bester Laune sein! Gern wäre ich den ungebetenen Gast losgeworden, doch das unangenehme Gefühl verschwand nicht, nur weil es nicht erwünscht war. Zur schlechten Laune gesellte sich dann auch noch meine Unzufriedenheit darüber, an diesem strahlenden Morgen mit den falschen Gefühlen am Frühstückstisch zu sitzen. Sollten dann aber im Laufe des Tages doch mal gute Gefühle aufkommen, verfüge ich über ein unerschöpfliches Repertoire, mich darüber hinwegzusetzen und sie schnellstmöglich zu eliminieren.
Klettband und Teflon
So wie am letzten Urlaubstag, als ich beobachtete, wie die Sonne allmählich im Meer verschwand. Verträumt blickte ich dem roten Feuerball nach. In meinem Körper breitete sich Behaglichkeit aus. Und dann verdarb mir ein einziger Gedanke meine Stimmung: Morgen ist alles vorbei! Das himmlische Farbenspiel löste sich auf, vor meinem geistigen Auge breitete sich eine aschgraue Wolkendecke aus, darunter der endlose Rückreisestau. Das gute Gefühl versank schneller als die Sonne. Zurück blieben Bedauern und Hadern. Bei unangenehmen Erfahrungen reagiert mein Geist wie ein Klettband, während er bei angenehmen eine Teflon-Beschichtung annimmt. Würdest du dich ebenfalls als Unglücksexperte bezeichnen? Werden deine Gedanken auch von Schwierigkeiten magnetisch angezogen? Kennst du selber auch solche Tricks, mit denen du gute Gefühle gar nicht erst aufkommen lässt oder direkt erfolgreich vertreibst?
Negative Gefühle sind oft stärker
Lange Zeit hat sich die psychologische Forschung vor allem auf Ängste und andere schwierige Emotionen konzentriert und dabei wichtige Erkenntnisse gewonnen: Negative Gefühle lösen den Flucht- oder Angriffsmodus aus und verengen unsere Aufmerksamkeit auf den unmittelbaren Handlungsbedarf. „Während negative Gefühle unsere Aufmerksamkeit fesseln und intensiver in uns verweilen, sind unsere guten Gefühle eher flüchtig und passieren meist unbemerkt“, schreibt der Neurobiologe Marcus Täuber in seinem Buch „Gute Gefühle“, in dem er uns dazu einlädt, diese ganz bewusst für uns zu entdecken, zu entwickeln und einzusetzen. Denn: „Es gibt Ratgeber zu Ängsten, Panikattacken und Depressionen in jeder Buchhandlung … Aber verblüffend wenig Literatur nimmt sich unseren guten Gefühlen generell und ihrer Bedeutung an. Ich finde, wir räumen Katastrophen und mieser Stimmung zu viel Platz in unserem Gehirn ein. Höchste Zeit, die gesunden und leistungsfördernden Aspekte der Sonnenseite in unserem Kopf gebührend zu feiern.“ Für Täuber ist deshalb auch klar: Positive Emotionen sind unser Lebenselixier und mehr als Zeichen eines erholsamen Zustands, den man nur so lange genießen kann wie er anhält. Wir können und sollten uns deshalb der Kraft, die in positiven Gefühlen steckt, bewusster werden und sie gezielt für unser Wohlbefinden einsetzen.
Die Kraft des Positiven
Erst seit wenigen Jahrzehnten beschäftigt sich die Wissenschaft intensiver mit den evolutionären Vorteilen positiver Emotionen. Eine der herausragendsten Expertinnen auf diesem Gebiet ist die US-amerikanische Psychologie-Professorin Barbara Frederickson, die nachweisen konnte, dass gute Gefühle kein bloßer Zielzustand sind, sondern ein Mittel zum Zweck. Täuber fasst die Essenz ihrer Pionierarbeit so zusammen: „Während wir bei negativen Emotionen in eine Art Stillstand verfallen, … passiert bei positiven Emotionen genau das Gegenteil.“ Sie erlauben den Blick aufs große Ganze, festigen langfristig unser Wohlbefinden und Wachstum, öffnen Herz und Verstand, erhöhen unsere Aufnahmefähigkeit und steigern in erheblichem Maß unsere Kreativität und Leistungsfähigkeit.
Veronika Schantz
Zum Weiterlesen:
Marcus Täuber, Gute Gefühle – Nutze die emotionalen Stärken deines Gehirns, Goldegg Verlag, 22 Euro
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 5/2023
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