„Ich habe Verantwortung für mein Leben übernommen“

Antonia Wesseling spricht über ihren Weg aus der Magersucht, gängige Klischees zu Essstörungen und gibt Tipps für Betroffene.

Mit vierzehn Jahren stellt Antonia Wesseling von heute auf morgen das Essen ein. Die Ärzte tun ihr Problem als vorübergehendes Pubertätsphänomen ab, bis ihre Eltern den Ernst der Lage erkennen und sie in die Psychiatrie einweisen. Diagnose: Magersucht. Ihre Jugend ist geprägt von Ängsten und Sorgen, schwerwiegenden körperlichen Symptomen und Selbsthass. Und damit ist sie nicht allein. Etwa zwanzig Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland zwischen elf und siebzehn Jahren zeigen Symptome einer Essstörung. Wir sprechen mit Antonia Wesseling über ihren Weg aus der Magersucht:

Zuerst: Wie geht es dir mittlerweile?

Mir geht es ziemlich gut! Ich bin immer noch in Therapie, weil es Tage gibt, an denen ich jemanden brauche, mit dem ich nochmal über meinen Alltag sprechen kann und ich vorbeugen möchte,
dass ich zu viele Gefühle unterdrücke. Aber allgemein bin ich sehr zufrieden mit mir und meinem Leben.

Wann hast du zum ersten Mal bemerkt, dass deine Art, mit Essen umzugehen, nicht gesund ist?

Ich war damals gerade vierzehn. Es kam alles sehr plötzlich. Vorher habe ich mir nie Gedanken über Essen gemacht. Ich war ein sehr schlankes Kind und habe immer intuitiv gegessen. Meine Mutter hat uns das so vorgelebt, sie hat nie Diäten gemacht oder uns Dinge verboten.

Bei den ersten beiden Klinikaufenthalten wurde vorrangig darauf geschaut, dass du zunimmst. Erst in der dritten Klinik wurde deine Magersucht mit einem anderen Ansatz behandelt. Was war das für ein Ansatz?

Also ganz wichtig ist, dass ich diese Klinik nicht als Wundermittel bezeichne. Viele Leute verstehen das so. Ich würde nicht jedem Betroffenen zu jedem Zeitpunkt empfehlen, sich genau dort behandeln zu lassen, denn man muss schon an einem Punkt sein, wo man bereit ist, eigenverantwortlich zu arbeiten. Insgesamt kann ich sagen, dass ich froh bin, dass bei meinem letzten Aufenthalt das Gewicht nur im Hintergrund behandelt wurde (trotz meines Untergewichts). Ich wurde damals offiziell wegen Depressionen aufgenommen und auch mehr dahingehend behandelt. Wir haben viel über meine Gefühle gesprochen, meine Ängste und Sorgen. Viel mehr als über das Essen und mein Gewicht. Das hat das Problem mehr an der Wurzel gepackt.

Zum Weiterlesen:

Antonia C. Wesseling, “Wie viel wiegt mein Leben?”, 14,95 Euro, Eden Books

Das ganze Interview finden Sie in unserer Ausgabe bewusster leben 6/2020

Diesen Artikel teilen

Weitere Beiträge

MutMachMenschen

Geschichten von Menschen, die sich aus den Abgründen des Lebens wieder aufgerichtet haben. Ihre Zuversicht und ihr Glauben an das Leben machen uns Mut.

Diesen Artikel teilen

Alles, was ist, darf sein

Hast du das Gefühl, dass du in deinem Leben häufiger eine „Verschnaufpause“ brauchst? Wir geben dir vier Impulse für mehr Gelassenheit im Alltag.

Diesen Artikel teilen

Lebe, liebe, leuchte!
„Glück beginnt da, wo du dich vollständig entfalten kannst.“

Was brauchst du, damit du wirklich glücklich bist?  Lea Hamann weiß: So wie ein Samen das Potenzial für einen großen Baum bereits in sich trägt, so ist auch dein volles Potenzial in deinem Inneren von vorneherein angelegt. Auf der Suche nach dem Glück fiel mir auf, dass ich von anderen Menschen sehr viele widersprüchliche Ratschläge erhielt. Jeder sagte etwas anderes. Jeder hatte einen anderen Hinweis auf Lager. Die einen sagten mir, ich solle stundenlang meditieren, andere rieten mir, schleunigst mehr Bücher zu lesen. Weil mich das widersprüchliche Durcheinander irgendwann überforderte, richtete ich meinen Blick ganz einfach auf die Natur. Ich hatte die Vermutung, dass wir Menschen alles unnötig kompliziert machen und dass die Natur mir vielleicht einen viel einfacheren Weg zeigen kann. Der riesige Walnussbaum, der jedes Jahr einen Sack voller Nüsse reifen lässt, hatte mir gezeigt, wie schön es ist, wenn jemand sein volles Potenzial entfaltet.  Als ich einige Tage später beim Warten in einem Restaurant eine halb vertrocknete Topfpflanze entdeckte, fiel mir etwas ganz anderes auf. Ich nahm wahr, dass wirkliches Wachstum nicht möglich ist, wenn die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Selbst wenn man sich dazu zwingt, selbst wenn man Druck ausübt – Wachstum ist abhängig von

Diesen Artikel teilen

Schreiben Sie einen Kommentar