Zu viel Stress, wenig Bewegung oder falsche Ernährung: Ein hoher Blutdruck kann viele Ursachen haben. Meist wird er mit Medikamenten behandelt. Doch auch gezielte Entspannungs- und Atemtechniken aus dem Yoga können helfen.
Thomas Mengden ist Professor, Kardiologe und behandelt vor allem Patienten mit schwerem Bluthochdruck. 32 Prozent der Erwachsenen leiden an Bluthochdruck. „Bluthochdruck ist eine Gefäßerkrankung, die durch Veränderungen der großen (Aorta) und kleinen Gefäße gekennzeichnet ist“, erklärt der Professor. Schuld daran sei meist „der Säbelzahntiger im Büro“. Und das erklärt sich so:
Der moderne Säbelzahntiger
Unser Gehirn verfügt über ein hervorragendes System, auf Gefahren zu reagieren. „Das vegetative Nervensystem ist für die schnelle Stressreaktion in Gefahrensituationen verantwortlich und stellt sicher, dass alle Körperfunktionen sofort auf Kampf oder Flucht eingestellt werden. Der Teil des vegetativen Nervensystems, der den Organismus in Spannung versetzt, ist der Sympathikus, der Stressnerv.“ Dann weiten sich unsere Pupillen und Bronchien, der Verdauungsprozess ruht und unser Herz leistet Extraarbeit, der Puls beschleunigt sich und der Blutdruck steigt. Im Angesicht eines Säbelzahntigers war diese Reaktion früher überlebenswichtig, denn sie ermöglicht es uns, all unsere Energie auf einen bevorstehenden Kampf oder eine Flucht zu richten.
Auslöser Stress, Ängste und Sorgen
Doch was hat das mit uns heute noch zu tun? Mir jedenfalls ist noch kein Säbelzahntiger über den Weg gelaufen. „Heute stehen nicht mehr die Gefahr um Leib und Leben im Vordergrund der Stressreaktion, sondern beruflicher Stress oder private Ängste und Sorgen“, weiß Professor Mengden. Der Säbelzahntiger sitzt im Büro, abends am Esstisch mit der Familie oder springt aus dem Aktenschrank mit den Rechnungen hervor. Finanzielle Sorgen, Überstunden und Familienkonflikte lösen in uns ähnliche existenzielle Ängste aus, wie es vor 15.000 Jahren der Säbelzahntiger tat. Und wie damals reagiert unser vegetatives Nervensystem.
Einfach mal weniger Sress haben ist gar nicht so leicht
Während jedoch der Steinzeitmensch nach gelungener Flucht in seinem Dorf vor weiteren Angriffen sicher war und sein Ruhenerv dafür sorgte, dass sich der Bluthochdruck wieder senkte, hat unser „moderner“ Säbelzahntiger die Angewohnheit, uns zu verfolgen. Gelegentliche Überstunden werden zum Dauerstress, der Familienkonflikt schwelt vor sich hin und sorgt dafür, dass wir auch nachts nicht wirklich ruhen. Und unser Herz – das leidet. Dauerhafter Bluthochdruck verengt die Arterien, durch den erhöhten Druck muss das Herz kontinuierlich gegen einen Widerstand arbeiten, es wird erschöpft und geschwächt. So kann es zu einer Herzmuskelverdickung kommen, bei der das Herz dauerhaft in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Stress macht also krank, mitunter sogar schwer krank. Doch „einfach mal weniger Stress haben“ klingt vielleicht als Neujahrsvorsatz gut, ist in der Realität jedoch schwer umsetzbar. Nicht jeder kann es sich leisten, bei der Arbeit Stunden zu reduzieren oder gleich ganz zu kündigen, wenn der Chef einem nicht gefällt. Auch Ängste und Sorgen lassen sich nicht einfach so abschalten.
Nicht immer helfen Medikamente
Was also nun? Da hocken wir mit unserem Bluthochdruck, der Arzt sagt, „Sie müssen dringend Stress reduzieren“, doch der hat gut Reden und wahrscheinlich kein Haus abzubezahlen und keinen Vater zu pflegen. Wenn Bluthochdruck nicht mit anderen Maßnahmen gesenkt werden kann, greifen Ärztinnen und Ärzte meist zu Medikamenten. Beta-Blocker, ACE-Hemmer oder Diuretika sind nur einige der bekanntesten blutdrucksenkenden Medikamente. Dass es solche Tabletten heutzutage gibt, ist gut und schön und hilft auch, Schädigungen des Herz-Kreislaufsystems durch Bluthochdruck zu verringern und so Leben zu verlängern, zu verbessern und manchmal auch zu retten. Doch solche Medikamente haben bei vielen Personen Nebenwirkungen: Erschöpfung, Schwindel, Muskelkrämpfe, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, der Beipackzettel der einzelnen Medikamente ist lang. Vielen Patienten helfen die Medikamente nicht genug, um ihren Bluthochdruck dauerhaft zu senken und sie suchen nach natürlichen sanften Blutdrucksenkern.
Yoga-Atmung: weit mehr als ein Placebo
Prof. Mengden setzt deshalb auf „Meditieren statt Pillen“. „Als klassisch ausgebildeter Schulmediziner brauchte ich eine Weile, um zu lernen, dass Meditationstechniken weit mehr sind als Esoterik mit Placebo-Effekt“, gibt der Kardiologe unumwunden zu. Er fand seinen Weg zu Yoga und Medita- tion über die Wissenschaft. „Neuere Studien mithilfe von moderner Bildgebung zeigen, dass durch Meditation Anpassungsprozesse in Hirnregionen auftreten, die für die Stressverarbeitung verantwortlich sind.“ Besonders hilfreich in Bezug auf Bluthochdruck ist dabei die Yoga-Atmung.
Die Bauchatmung
Vorbereitung: Suchen Sie sich einen ruhigen Platz. Verbinden Sie sich mit Ihrer Atmung. Stellen Sie sich vor, dass die Atmung wie eine Welle in Ihren Körper einströmt und wie eine Welle wieder aus Ihrem Körper ausströmt. Spüren Sie das Wechselspiel zwischen gefüllter und sich leerender Lunge.
Anleitung: Richten Sie Ihre Wirbelsäule immer mehr und mehr auf. Spüren Sie die Länge im Rücken. Legen Sie Ihre Hände sanft auf Ihrem Bauch ab. Atmen Sie durch die Nase ein und spüren Sie, wie sich zuerst der Bauchraum füllt und sich die Bauchdecke nach außen wölbt. Die Luft füllt nach Ihrem Bauchraum auch den restlichen Rumpf und die Welle steigt weiter nach oben und dehnt Ihren gesamten Rumpf weit auf. Nehmen Sie sich für die Einatmung vier Sekunden Zeit. Atmen Sie durch die Nase wieder aus. Spüren Sie, wie sich der Rumpf von oben nach unten wieder leert. Zuerst sinkt das Brustbein nach unten, dann die Rippenbögen nach innen und zuletzt wird die Bauchdecke wieder flach. Nehmen Sie sich wiederum vier Sekunden Zeit für die Ausatmung.
Zum Weiterlesen:
Thomas Mengden, Bluthochdruck senken durch Yoga-Atmung, TRIAS Verlag 19,99 Euro
Den ganzen Artikel mit weiteren Meditationsanleitungen finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 5/2023
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