Unordnung ist in vielen Partnerschaften ein Streitthema. Wenn Paare sich dem stellen und den dahinterliegenden Konflikten nachgehen, räumen sie nicht nur die Wohnung, sondern auch in ihrer Beziehung auf. „Hempels Schwestern“ Johanna Lemke und Sabrina Rox geben die passenden Tipps.
Es ist das Paar Schuhe, das grundsätzlich neben das Schuhregal abgestellt wird. Es sind die Nähutensilien, die sich überall im Zimmer ausbreiten wie Lava, die unaufhaltsam aus einem Vulkan strömt. Es ist dieser ganze Kram, der einfach überall zwischengelagert wird, ohne je ein finales Ziel zu erreichen. Es sind all diese Ecken, die uns im Alltag wahnsinnig machen, weil es einfach nie, nie ordentlich aussehen will!
Unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung
Vor allem in der Partnerschaft führt Unordnung oft zu heftigen Konflikten. Kennst du ein einziges Paar, das sich noch nicht darüber gezofft hat? Eben! Als Aufräumberaterinnen jedenfalls treffen wir immer wieder auf Paare, die sich über den Zustand der Wohnung in die Wolle kriegen. Darüber, wer mehr macht und wer zu wenig, über Aufgabenverteilung oder einfach darüber, wie die Spülmaschine richtig eingeräumt wird. Da stehen wir dann zwischen Klamottenbergen und Aktenordnern und merken: Okay, hier ist mehr los als nur Unordnung – hier rappelt es auch in der Beziehung! Denn das Spannende ist: Ganz häufig steckt ein anderes, größeres Problem hinter dem Streit, der nur auf den ersten Blick mit dem Aufräumen zu tun hat. Wenn die Partner dann miteinander ihr Chaos bearbeiten, kommen sie mit Themen in Berührung, die sie irgendwann mal „abgeheftet“ hatten – als würde sich mit der ausgemisteten Wintersachenkiste auch eine Box öffnen mit der Aufschrift „Unsere Beziehungsthemen“.
Chaos versus Struktur
Unterschiedliche Ordnungsbedürfnisse sind vollkommen normal, aber nicht selten entwickeln sie sich zu einem manifesten Beziehungskrach. Der Klassiker, den wahrscheinlich jede und jeder kennt: „Er ist einfach nicht so ordentlich wie ich!“ In unserer Funktion als Aufräumberaterinnen können wir uns noch gut an ein Paar erinnern. Sie: Die kreative Chaotin mit massenhaft Bastelsachen. Er: Der Minimalist, der für Struktur sorgt. Nun könnte man vielleicht meinen, dass sich die beiden perfekt ergänzen – doch leider konnten die Betroffenen das so nicht sehen und gerieten ständig über das Chaos aneinander, das durch ihr kreatives Hobby entstand. Er brauchte Ordnung für sich. Sie liebte es, ihre Bastelsachen tagelang liegenzulassen, damit sie sich jederzeit wieder an das aktuelle Projekt setzen konnte. Für beide schien die Lösung nahezuliegen: Wir müssen ausmisten, und zwar radikal! Unsere kreative Chaotin stand schon mit Müllsäcken bereit und stellte sich seufzend darauf ein, sich von manch geliebter Utensilie trennen zu müssen.
Aufräumen ist keine Paartherapie
Eine gesunde Partnerschaft beruht darauf, dass sich beide in ihren Bedürfnissen und Eigenheiten ausleben können und gegenseitigen Respekt füreinander empfinden – ja, wirklich beide! Viele vergessen im Alltag jedoch diese wichtige Regel. Gerade wenn es um den Haushalt geht, richten sie den Standard an demjenigen aus, der ordentlicher ist. Doch es gibt auch die Kreativen, die Chaoten, die Bastler und Macher. Als ordentlicher Mensch damit besser klarzukommen, wird leichter, wenn wir uns fragen: Welche Superkraft besitzt mein Partner? Ist seine Kreativität vielleicht etwas, das mein Leben bereichert? Ist seine Spontaneität, wegen der er lieber eine spontane Pizzaparty auf dem Balkon organisiert als den Müll wegzubringen, vielleicht sogar der Teil von ihm, in den ich mich einst verliebt habe?
Den Partner mit anderen Augen sehen
Sicher, man könnte sich jeden Tag darüber aufregen, dass der Partner oder die Partnerin einfach so chaotisch ist. Doch es hilft, sich zu fragen: Warum stört mich die Unordnung eigentlich? Und was würde es mir erleichtern, sie anzunehmen? In unserem beschriebenen Fall schaffte es schließlich der Partner der kreativen Bastlerin, seine Frau mit anderen Augen zu sehen. Er hatte die Schönheit ihrer wilden, kreativen Seite tatsächlich ein wenig aus dem Blick verloren. Die beiden misteten dann zwar durchaus gemeinsam aus, räumten aber dann die Wohnung so um, dass sie einen richtigen Arbeitstisch für ihr kreatives Hobby erhielt. Ihr Material wurde nach Kategorien sortiert und dann in der Nähe des Schreibtisches in schönen Boxen verstaut, so, dass es ihr leichter fiel, ihren Arbeitsplatz nach der Arbeit wieder aufzuräumen – in Respekt vor ihrem Partner, dessen Bedürfnis sie nun ebenfalls besser anerkennen konnte.
Was in diesem Fall die Fronten aufbrach, war ein ehrlicher Austausch über das Problem und die unterschiedlichen Vorstellungen von Ordnung. Der geht in der Alltagshektik oft unter – der Fokus verengt sich dann auf den überquellenden Klamottenablagestuhl oder auf die Socken unterm Sofa, anstatt auf die Frage, worum es wirklich geht. Aufräumen ist keine Paartherapie und löst keine schwerwiegenden Konflikte. Doch das Aufräumen von Dingen ist immer auch ein innerer Prozess und wird zum Anlass, auf vielen Ebenen genauer hinzusehen. Und das Schöne? Hinterher ist es auch noch aufgeräumt!
Zum Weiterlesen: Johanna Lemke Sabrina Rox, Socken unterm Sofa, Kösel Verlag, 18 Euro
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