Waldeslust

Der Aufenthalt in der Natur wirkt nachweislich positiv auf unser mentales und körperliches Wohlbefinden. Unsere Autorin Andrea C. Bayer ist regelmäßig in der Natur unterwegs und hat zur Alltagsentspannung das Waldbaden für sich entdeckt.

Es ist früh am Morgen. Milchige Sonnenstrahlen treffen auf zartes Blattgrün. Die nacht- und dämmerungs­aktiven Bewohner haben sich zurückgezogen: Schichtwechsel im Wald. Es riecht frisch. Ein neuer Tag liegt vor mir. Der achtsame Spaziergang in der Früh spendet Kraft und innere Ruhe. Der Wald wirkt schützend und lebendig. Er hat sich merklich verändert in den letzten Wochen: Es ist noch nicht lange her, dass Buschwindröschen und Märzveilchen sich ihren Weg durch das dichte Bett an braunen Blättern gebahnt haben, das den lauen Winter am Boden überdauert hat. Nun sind Bärlauch und Waldmeister dran. Hier und da wiegen Maiglöckchen ihre kleinen weißen Blütenköpfe im Wind.

Wo das Nervensystem zur Ruhe kommt

Wer regelmäßig im Wald unterwegs ist, nimmt die Veränderungen wahr. Die Gedankenwelt des Alltags verlangsamt sich. Der Blick für die Details der Natur wird schärfer. Ein bewusstes Innehalten lenkt die Sinne auf die Geräusche und Gerüche um uns herum. Das Nervensystem beruhigt sich. Dass uns diese Effekte im Wald besonders tief erreichen, hat mehrere Gründe. Da ist vor allem die gute Luft: Sie enthält in einem intakten Wald bis zu 99 Prozent weniger Feinstaub als Stadtluft. Die Bäume filtern die Schadstoffe, während Unmengen an Mikroorganismen um uns herum das Immunsystem stärken. Wissenschaftlich erforscht ist, dass unser Körper während des Aufenthaltes in der Natur überdurchschnittlich viele Killerzellen produziert. Die Abwehrkräfte wachsen, während Puls und Blutdruck sinken.

Was so einfach daherkommt, ist ein Kreislauf mit unzähligen Akteuren. Vieles in diesem Kreislauf ist unsichtbar. Vieles überrascht Forscher bis heute. So zeigen jüngste Untersuchungen, dass rund 60 Prozent aller bekannten Arten von Lebewesen in Böden heimisch sind. Damit sind Böden das komplexeste Ökosystem der Welt. Bewohner, die zum Teil so klein sind, dass man sie nur unter einem guten Mikroskop erkennt, zersetzen auf dem Boden abgelegtes Material, zum Beispiel das Vorjahreslaub der Bäume. Sie recyceln, speichern Kohlenstoff und fügen die umgesetzten Substanzen erneut dem Kreislauf zu – über die Wurzeln der Bäume.

Wo Vögel, Eichhörnchen und Baummarder zuhause sind

Das, was da zwischen Boden und Baumkronen passiert, beschreiben Experten gerne als „Haus“. Im obersten Stockwerk, der Baumschicht, wird entschieden, wie es weiter unten zugeht. Je nach Dichte und Beschaffenheit des Daches fällt der Lichteinfall aus. Dieser bestimmt, wie artenreich das Leben in der Baumschicht ist. Dort, wo unter anderem Vögel, Eichhörnchen, Insekten und Baummarder zuhause sind. Die bis zu drei Meter hohe Strauchschicht nehmen wir oftmals auf unserem Weg in den Wald wahr. Mit noch jungen Bäumen und nutzbaren Pflanzen wie Hasel und Holunder bildet sie den Rand des Waldes. Die niedrigere Krautschicht mit ihren Farnen, Gräsern und Blühpflanzen wie unseren Maiglöckchen und Waldmeister wächst überall dort besonders üppig, wo viel Licht bis nach unten dringt. Das ist zum Beispiel in luftigen Kiefernwäldern der Fall. Richtig viel Leben ist zwischen der Moos- und der Wurzelschicht zu finden. Da, wo wir uns hinbegeben, wenn wir später im Jahr auf Pilzsuche gehen.
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 3/2025

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