Michaela Muschitz erklärt, warum Schreiben ein wirksames Tool zur Selbstfürsorge ist und eine wunderbare Methode sein kann, bewusst Zeit für sich und mit sich zu verbringen
Journaling ist voll im Trend und immer mehr Menschen nutzen Schreiben, um sich selbst Gutes zu tun. Denn Journaling ist ein wirksames Tool zur Selbstfürsorge. Wie heilsam Schreiben ist, hat der Psychologe James Pennebaker bereits in den 1960er Jahren mit Traumapatienten erforscht. Seine Studien wurden mittlerweile mehrfach bestätigt. Viele weitere bauten auf seine Arbeit auf und entwickelten die Methoden weiter. In persönlichen Aufzeichnungen werden Gedanken sortiert, reflektiert, Entscheidungen getroffen. Anders als im Tagebuch, wo vor allem Ereignisse festgehalten werden, geht es beim Journaling um die Reflexion, aber auch darum, Lösungen für anstehende Probleme zu finden.
Journaling ist erstaunlich einfach. Es reichen Stift und Papier und ein wenig Zeit, um Klarheit zu finden oder Erleichterung zu schaffen. Das eigene Notizbuch wird zum sicheren Raum, in dem verschiedene Szenarien durchdacht werden können. Und da dieses Denken am Papier stattfindet, können Ideen und Erkenntnisse nachvollzogen werden, weil sie nachlesbar sind. Dadurch erlebe ich mich selbst als wirksam und nicht als Opfer der Umstände oder der Situation.
Persönliches Schreiben fördert die Resilienz
Wer mehr wertvolle Zeit mit sich verbringen möchte, der sollte Journaling ausprobieren. Schon wenige Minuten Schreiben helfen, sich zu sortieren oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Journaling als Form des persönlichen Schreibens fördert die Resilienz und auch die Zufriedenheit. Denn anders als bei Texten, die im Beruf geschrieben werden, wie E-Mails, Artikel oder Werbetexte, geht es beim Journaling darum, sich mit sich selbst zu unterhalten. Mit dem Ziel herauszufinden, was einen bewegt, was man will und wie man sich weiterentwickeln möchte. Die amerikanische Therapeutin Kathleen Adams hat mehrere Schreibmethoden für ihre Journal Therapie entwickelt. Dabei werden unterschiedliche Schreibmethoden angewendet – je nach Thema, aber auch nach Schreiberfahrung. Adams empfiehlt bestimmte Satzanfänge, um einen leichten und guten Einstieg ins persönliche Schreiben zu finden.
Satzanfänge wie „Was mich gerade beschäftigt …“ oder „Ein guter nächster Schritt wäre ….“ können helfen, das persönliche Schreiben in Gang zu bringen. Innerhalb von fünf Minuten kommen dabei oft erstaunliche Erkenntnisse und Ideen zu Tage. Wer sich intensiver mit der Journaling-Methode auseinandersetzen will, findet in der Personal Writing Community Anregungen. Der Verein ist ein Zusammenschluss von PoesietherapeutInnen, Coaches und SchreibtrainerInnen, die die Wirkung des persönlichen Schreibens bekannt machen wollen. Auf der Website des Vereins finden sich zahlreiche Angebote von Trainerinnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.
Unsere Gedanken werden sicht- und greifbar
Indem wir unsere innersten Gedanken aufschreiben, bekommen sie eine Klarheit, die sonst nur durch stunden- oder tagelanges Nachdenken erzielt werden kann. Interessanterweise wird unser Denken auch konkreter, verbindlicher, wenn wir unsere Gedanken aufschreiben. Unsere Gedanken werden sicht- und greifbar, da sie sich auf dem Papier materialisieren und nicht mehr flüchtig sind. Probieren Sie es mit einer einfachen Schreibübung mal selbst aus. Nehmen Sie Stift und Papier zur Hand und schreiben Sie eine Liste darüber „Was mir gut tut“.
Diese Liste kann dann eine Inspiration sein für die nächste Auszeit und Pause. Und wenn auf Ihrer Liste „Spaziergang“ steht als etwas, das Ihnen guttut, dann lässt sich ein solcher auch zwischendurch mal einbauen. Indem wir Dinge aufschreiben, werden sie uns bewusst. Und wenn sie uns bewusst sind, können wir sie gezielt angehen.
Sich selbst besser kennenlernen
Doris Dörrie beginnt ihr Buch „Leben. Schreiben. Atmen.“ mit den Zeilen: „Dieses Buch ist eine Einladung zum Schreiben über sich selbst. Wenn man schreibt, schreibt man immer über sich selbst. Es ist abwechselnd wunderbar, schmerzhaft, narzisstisch, therapeutisch, herrlich befreiend, tieftraurig, beflügelnd, deprimierend, langweilig, belebend. Schreibend halte ich mich am Leben und überlebe jeden Tag wieder. Ich schreibe, um diese unglaubliche Gelegenheit am Leben zu sein, ganz genau wahrzunehmen und zu feiern. Ich schreibe, um einen Sinn zu finden, obwohl es am Ende wahrscheinlich keinen gibt. (…) Schreibend erforsche ich die Welt, meine Welt. Was beeindruckt mich? Was merke ich mir? Was erschüttert mich? Was erheitert mich? Was begeistert mich? Woran erinnere ich mich?“
Kostbare Momente
Wenn wir unsere Welt schreibend erforschen, wie es Doris Dörrie empfiehlt, dann leben wir auch bewusster. Wir nehmen uns wichtig genug, um über unsere Erlebnisse und Gefühle nachzudenken und sie dabei auch zu formulieren. Wir legen ein Zeugnis über unser Leben ab, lassen es nicht im endlosen Rauschen des Alltages einfach an uns vorbeiziehen.
Indem wir innehalten und zehn oder 15 Minuten schreiben, halten wir kostbare Momente fest, damit wir uns erinnern können, wenn wir Wochen oder Monate später nochmals zurückblättern in unserem Notizbuch. Oft wird auch ein roter Faden sichtbar, der sich durch unser Leben zieht, wenn wir ältere Einträge lesen. Manche Entscheidung oder Veränderung kündigt sich zwischen den Zeilen an, noch vage vielleicht. Später dann konkreter, ernsthafter, freudiger.
Wie viel Zeit bin ich mir wert?
Menschen mit stressigem Alltag oder mit Mehrfachbelastung von Job und Familie gönnen sich zu selten Auszeiten und Zeiten nur für sich. Dabei ist gerade das persönliche Schreiben eine Form von Selbstfürsorge, die auch wirksam ist, wenn sie nur wenige Minuten angewandt wird. Egal ob am Küchentisch, im Büro zwischen zwei Meetings, im Zug, im Wartezimmer oder auf der Parkbank – schon fünf Minuten schreiben können beruhigen, Klarheit schaffen oder genutzt werden, um Dampf abzulassen.
Michaela Muschitz
Weiterführende Literatur:
Birgit Schreiber, Wohlschreiben, Verlag punktgenau
Doris Dörrie, Leben. Schreiben. Atmen., Diogenes Verlag
Michaela Muschitz, Sei Heldin, Wie Du Zweifel überwindest und dein Abenteuer lebst, Verlag punktgenau
Den ganzen Artikel finden Sie in unserer bewusster leben Ausgabe 4/2024
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